Iran macht Israel für die gezielte Tötung des politischen Hamas-Chefs Ismail Hanija letzte Woche in Teheran verantwortlich – und droht mit Vergeltung. Der Militärschlag gegen Israel könnte in den nächsten Stunden ausgeführt werden. Israels Bevölkerung ist angespannt. Viele kritisieren auch die Haltung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu einem Abkommen zur Freilassung der Geiseln, wie Gisela Dachs sagt.
SRF News: Wie bereitet sich Israel auf mögliche Militärschläge aus Iran oder von der Hisbollah vor?
Gisela Dachs: Die Atmosphäre ist sehr angespannt. Es gibt allerdings im Zentrum von Israel im Augenblick keine besonderen Anweisungen, ausser dass man am Sonntag gesehen hat, dass es Störungen des Navigationssystems GPS gab. Das sind Hinweise darauf, dass man versucht, Drohnenangriffe von aussen fehlzuleiten.
Es gibt viele Stimmen aus dem Umkreis der Verhandlungen, die sagen, man könnte da schon viel weiter sein.
Das Verhältnis Israels zu den USA war auch schon besser. US-Präsident Joe Biden glaube Netanjahu nicht, dass dieser alles dafür tue, um die israelischen Geiseln zu befreien. Spielt Netanjahu mit Biden?
Die Amerikaner stehen trotz Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu Israel, weil sie sehen, dass es darüber hinaus ein wirkliches Problem mit Iran gibt. Aber das Verhältnis zwischen Netanjahu und Biden ist alles andere als gut. Netanjahu wird vorgeworfen, dass er ein Geiselabkommen mit der Hamas im Gazastreifen immer wieder hinauszögert, immer wieder im letzten Moment neue Einwände hat. Es gibt viele Stimmen aus dem Umkreis der Verhandlungen, die sagen, man könnte da schon viel weiter sein.
Hohe israelische Militärs und der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant wollen ein Abkommen mit der radikalislamischen Hamas. Netanjahu scheint das hinauszuzögern. Zerbricht die israelische Regierung an dieser Frage?
Netanjahu wird vorgeworfen, dass er sich genau deshalb in der Geiselfrage nicht bewege: um diese Koalition zu halten. Seine rechtsradikalen Koalitionspartner lehnen ein Abkommen mit der Hamas ab.
Das Westjordanland hätten Netanjahus Koalitionspartner gerne für sich selbst, zusammen mit den Siedlern.
Mit einem Abkommen gäbe es auch eine Perspektive für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen, bei der die Palästinenserbehörde eine mehr oder weniger wichtigere Rolle spielen würde. Genau das wollen die Rechtsaussenverbündeten in der Koalition nicht, weil sich das auch auf das Westjordanland auswirken würde. Dieses hätten sie gerne weiter für sich selbst – im Verbund mit den Siedlern.
Wie reagieren die Familien der Geiseln darauf, dass es keine Fortschritte gibt?
Für die Geiseln und die Familien ist das furchtbar. Im Augenblick sieht es nicht gut aus. Aber im Radio werden Meldungen an die Menschen gesendet, die im Gazastreifen festgehalten werden, in der Hoffnung, sie könnten israelisches Radio hören. Die Familien sagen: «Bitte haltet noch ein bisschen durch, wir holen euch da raus, wir vergessen euch nicht.» Der Schlüssel liegt sicherlich bei Netanjahu, wie viele sagen. Aber die Grosswetterlage, vor allem, was Iran angeht, geht noch darüber hinaus. Viele Israelis sehen dies auch so. Es macht die Lage aber nicht einfacher.
Das Gespräch führte Daniel Hofer.