Israel trat beim ESC in Malmö mit dem Song «Hurricane» der Künstlerin Eden Golan an, einer Anspielung auf die Terrorattacke der Hamas auf Israel im Oktober.
Seither führt Israel Krieg im Gazastreifen – und das kritisierten Tausende Demonstrierende vor der Veranstaltungshalle. Auch beim Auftritt Golans in der Halle selber kam es zu Buh-Rufen. In Israel war das erwartet worden – und jetzt freut man sich dort über das gute Abschneiden Golans sowie über die Sympathiepunkte aus dem europäischen Publikum.
SRF News: Welche Reaktionen gab es in Israel auf das teils unfaire Verhalten von Teilen des Publikums in Malmö gegenüber Eden Golan?
Gisela Dachs: Der Fokus lag in Israel vor allem auf der Künstlerin selbst. Fakt ist: Die 20-jährige Eden Golan schaffte es trotz der Buhrufe, ihre Performance erfolgreich durchzuziehen – und darauf waren viele in Israel stolz.
Alles rund um Nemos Sieg am ESC
Im Vorfeld war ein Ausschluss Israels gefordert worden, auch musste Golan den Text abändern. Hat man in Israel also mit Kritik gerechnet?
Ja. Die Atmosphäre war sehr angespannt, es gab auch Sicherheitsbedenken. Und bei den Proben wurde Golan mit feindseligen Reaktionen aus dem Publikum konfrontiert, damit sie dann während ihres Auftritts davon nicht überrascht würde.
Staatspräsident Herzog machte klar, dass man die Bühne nicht den anderen überlassen sollte.
Manche Israelis fanden auch, man würde dieses Jahr besser auf eine Teilnahme am ESC verzichten. Doch dann machte Staatspräsident Izchak Herzog klar, dass man gerade jetzt dabei sein müsse und nicht die Bühne allen anderen überlassen sollte.
Wäre es rein nach Publikumsstimmen gegangen, hätte Israel den zweiten Platz am ESC geholt. Zusammen mit den Jury-Stimmen war es schliesslich der gute fünfte Platz. Wie wurde dieses Resultat in Israel aufgenommen?
Man hat die Diskrepanz zwischen Publikum und Jury sehr genau beobachtet. Und als Israel zwischenzeitlich sogar die Führung übernahm, wurde der Screenshot dieser Rangliste in den sozialen Medien geteilt. Die Meinung war dann, dass die Jury wohl politisch korrekt abgestimmt habe, das Publikum aber viel stärker auf die Performance abgestellt habe. Diskutiert wurde auch, ob die Proteste gegen Israel dazu geführt haben, dass die Menschen in Europa gerade für Israel gestimmt haben.
Freigelassene Geiseln monierten, für sie habe Netanjahu in den letzten Wochen nie Zeit gehabt.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Eden Golan angerufen und ihr zum guten Ergebnis gratuliert. Wie ist das in Israel angekommen?
Darauf haben etwa Angehörige von Geiseln der Hamas oder auch freigelassenen Geiseln reagiert: Sie monierten, dass Netanjahu für sie in den letzten Monaten nie Zeit gehabt habe – während er für den ESC sofort zum Telefon gegriffen habe. Er stehe also gerne für einen Erfolg ein, nicht aber für andere, viel wichtigere Sachen, so die Kritik.
Wird Netanjahu versuchen, den ESC-Erfolg Golans politisch auszuschlachten?
Dazu wird er nicht viel Zeit haben. In Israel ist der ESC schon heute von viel schwerwiegenderen Ereignissen überschattet. So findet derzeit der Gedenktag für die israelischen Gefallenen und die Opfer von Terror statt. Man gedenkt also der Gefallenen, während immer noch ein Krieg im Gange ist – eine etwas gespenstische Situation. Und da wird auch diskutiert, wie genau die Zeremonien in diesem Jahr aussehen werden. Das nächste Ereignis hat die ESC-Debatten also bereits abgelöst.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.