Matteo Salvini, der Chef der rechtspopulistischen italienischen Lega, kommt in der Coronakrise bei den Menschen nicht mehr so gut an. In letzten Umfragen erreicht seine Partei noch 25 Prozent Zustimmung und Salvini selbst stösst nur noch bei jedem Dritten auf Zustimmung. SRF-Italien-Korrespondent Franco Battel über die politischen Entwicklungen in Italien zu Corona-Zeiten.
SRF News: Warum hat Matteo Salvini gemäss Umfragen an Beliebtheit verloren?
Franco Battel: Matteo Salvini ist nicht mehr am Drücker. Die Coronakrise ist die Stunde der Regierung, und Salvini ist dabei nur ein Statist. Er ist zwar ein lauter Statist, aber er hat eben doch nur eine Nebenrolle.
Salvini hat letzten Sommer den Fehler gemacht, die Koalition mit den Cinque Stelle platzen zu lassen.
Salvini hat Konkurrenz aus der eigenen Partei erhalten: Luca Zaia, Präsident der Region Venetien, ist derzeit nach Premierminister Giuseppe Conte der zweitbeliebteste Politiker Italiens. Warum?
Luca Zaia hat, das sehen in Italien alle so, den Veneto besser als alle andern durch die Coronakrise geführt. Seine Region schneidet viel besser ab als die andere grosse Region im Norden, die Lombardei. Zaia ist ein gemässigter Lega-Politiker, keiner, der sich wie Salvini mit Marine Le Pen oder mit anderen Führern rechter bis rechtsextremer Parteien ablichten lässt. Er ist ein solider, ich würde schon fast sagen christdemokratischer Pragmatiker. Er hat bisher nie Ambitionen auf einen Posten in Rom erkennen lassen.
Wie reagiert Salvini auf seine sinkenden Umfragewerte?
Er gewöhnt sich nur schwer daran, nicht mehr das Gravitationszentrum der italienischen Politik zu sein. Doch damit ist seine Politkarriere nicht zu Ende. Lediglich der Höhenflug des letzten Jahres ist gestoppt. Salvini hat im Sommer den Fehler gemacht, die Koalition mit den Cinque Stelle platzen zu lassen. Es war eine Koalition, von der er sehr profitiert hat, weil er die Linien vorgegeben hat.
Die Italienerinnen und Italiener mögen ihren Regierungschef Giuseppe Conte sehr gut. Unterstützen sie damit auch die Regierungsparteien?
Regierungschef Conte hat an Beliebtheit und Statur gewonnen, aber das trifft nicht auf die gesamte Regierung zu. Denn die Cinque Stelle und der Partito Democratico haben sich nie zu einer stabilen Regierung zusammengerauft. Insgesamt ist das rechte Lager in der Wählergunst immer noch deutlich stärker. Denn die Stimmen, die die Lega verloren hat, sammelt eine andere Rechtspartei fleissig ein.
Es sind die postfaschistischen Fratelli d'Italia, die «Brüder Italiens» unter der Führung von Giorgia Meloni. Sie und Salvini zusammen sind heute deutlich stärker als der Partito Democratico oder die Cinque Stelle.
Sowohl Meloni als auch Salvini sind gegenüber Brüssel und der EU sehr kritisch.
Könnte das bedeuten, dass 75 Jahre nach Kriegsende die Faschisten wieder eine grosse politische Rolle spielen könnten? Ist das in Italien mehrheitsfähig?
Mehrheitsfähig nicht. Es geht nicht darum, dass die Fratelli d’Italia tatsächlich eine Mehrheit erringen könnten, aber sie liegen gemäss Umfragen bei 10 Prozent. Das liegt vor allem an Meloni, der Parteichefin, die sehr leutselig ist. Sie spricht verständlich und trifft oft den Nerv des konservativen, nationalen italienischen Bürgertums. Sie grast bei den Wählern von Berlusconi und seiner Partei, der Forza Italia, aber auch bei Salvinis Lega.
Aber in ihrer Partei gibt es auch Ewiggestrige, die mit dem Duce [Benito Mussolini] und dem italienischen Faschismus liebäugeln. Deshalb ist es heute noch schwer zu sagen, wofür diese Partei wirklich steht. Klar ist nur, dass Meloni wie Salvini gegenüber Brüssel und der EU sehr kritisch ist.
Das Gespräch führte Barbara Büttner.