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Katar auf der Weltbühne Die Ambitionen des Herrscherhauses mit der Fussball-WM

Katar hat Milliarden investiert, um sich von der schönsten Seite zu zeigen. Das hat mit strategischem Kalkül zu tun.

Im Hafen vor dem Markt von Doha schaukelten vor 100 Jahren noch die Boote der Perlentaucher. Das Öl brachte dem Wüstenstaat den Aufbruch in die Moderne. Zu seinem heutigen sagenhaften Reichtum aber kam Katar dank des Gasfelds vor seiner Küste. Es ist das grösste der Welt, wie sich herausstellte.

Das Herrscherhaus der Al Thani investierte seit den 1990er-Jahren vorausschauend in die Verflüssigung dieses Gases. So wurde es über alle Weltmeere verschiffbar. Glaspaläste schossen aus dem Wüstenboden. Solange die globale Nachfrage nach dem Treibstoff seiner Ambitionen anhält, kann sich der Emir jede Extravaganz leisten. Selbst eine Fussballweltmeisterschaft.

Es geht für Katar darum, als kleines Land seine Unsichtbarkeit zu überwinden.
Autor: Danyel Reiche Politologe in Doha

«Es geht für Katar darum, in den internationalen Beziehungen wahrgenommen zu werden und als kleines Land seine Unsichtbarkeit zu überwinden», sagt der Politikwissenschaftler Danyel Reiche. Er forscht in Doha unter anderem über Sport und politische «Soft Power».

Infantino und Emir bin Hamad.
Legende: Mit der Fussball WM – sie soll den Wüstenstaat bis zu 220 Milliarden Dollar gekostet haben – will sich Katar auf der Weltbühne präsentieren. Emir Tamim bin Hamad Al Thani und Fifa-Präsident Giovanni Infantino. Keystone

Katar versuche so, Einfluss in den internationalen Beziehungen zu haben. Ausserdem gehe es dem Land um die Sicherheit. Schliesslich ist Katar von grossen, mächtigen Nachbarländern wie Iran und Saudi-Arabien umgeben.

Ambitiöses Herrscherhaus

Aber es geht bei der Imagepflege, dem «Nation Branding», auch um das Sendungsbewusstsein eines überaus ambitiösen Herrscherhauses. Katar will ernst genommen werden auf der Weltbühne, möglichst auf Augenhöhe mit dem ebenso reichen Bruderstaat und Konkurrenten nebenan, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).

Dank der Fussball-WM reden derzeit alle von der winzigen Halbinsel am Persischen Golf, halb so gross wie Sardinien. Was am Schluss hängenbleibe, lasse sich noch nicht abschätzen, glaubt Reiche. «Auch, wenn die Schlagzeilen negativ sind, ist es ja immer noch eine Auseinandersetzung, die stattfindet mit Katar.»

Und so scharf die Kritik im Westen sein mag, in der Region selbst freuen sich viele. Es ist die erste Fussballweltmeisterschaft in der arabischen Welt – dank Katar. Allein in die Infrastruktur hat es enorme Summen investiert. Im Jahrzehnt seit der Vergabe sind ganze neue Stadtquartiere entstanden.

Hunderttausende Arbeiter aus aller Welt

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Ein Mann wischt vor der Skyline von Doha.
Legende: Keystone

Der 27-jährige Inder Abu Hammad kam vor vier Jahren auf der Suche nach Arbeit nach Doha. Er habe Glück gehabt, sagt er. Er arbeitete auf den Baustellen der Metro, die klimatisierte Fussballstadien und Shopping Malls miteinander verbindet. Hammad wurde nicht in einer schäbigen Kammer mit neun Landsleuten zusammengepfercht, wie manch andere der Wanderarbeiter. Er fand eine ordentliche Unterkunft. Aussicht auf dauernden Aufenthalt hat er dennoch nicht.

Neunzig Prozent der knapp drei Millionen Menschen in Katar sind zugezogen. Zuunterst in der sozialen Hierarchie sind die Wanderarbeiter aus Südasien. Aber auch im Heer von Angestellten und Fachkräften aller Art aus dem Nahen Osten oder aus Europa sind die allermeisten nur auf Abruf hier. Man will die Welt bei sich haben – und doch unter sich bleiben.

Im Ausland investiert der Emir derweil in grossem Stil in Konzerne, Hotels und Sportclubs – aber auch in Konfliktgebiete. Im Syrienkrieg etwa pflegte Katar beste Kontakte zu Islamisten bis an die Ränder von Al-Kaida. Das hat Katar den Vorwurf der Terrorunterstützung eingetragen.

Neuerdings versucht der Golfstaat, diese Aussenpolitik zur Tugend umzudeuten. Er präsentiert sich der Welt als politischer Vermittler mit Gesprächskanälen in alle Richtungen.

Keinerlei innenpolitische Reformen

Innenpolitisch wird viel über eine Öffnung der Gesellschaft diskutiert. Zu tatsächlichen Reformen durchringen vermochte sich Katar aber nicht. Es hiesse, die nationale Identität neu zu formulieren und die Privilegien, welche die Einheimischen geniessen, mit den Zugezogenen zu teilen: freie Gesundheitsvorsorge, sichere Stellen im Staatsdienst etwa.

Auch das politische System bleibt fest. Der Emir muss vor Entscheidungen allenfalls ein paar handverlesene Stammesführer konsultieren, um keine Palastrevolte zu riskieren. Ansonsten regiert er als absoluter Herrscher.

Die Wahlen und politischen Institutionen vermitteln nur den Anschein von Mitbestimmung. Sie sind nur wenig realer als der Canal Grande mit den Gondolas, der in Doha durch die Shopping-Mall im venezianischen Dekor fliesst.

Echo der Zeit, 8.11.2022, 18:00 Uhr

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