Haidee de la Guerra trägt ein weisses T-Shirt. Darauf steht auf Englisch «Scheidung ist ein Menschenrecht». Manchmal würde sie das T-Shirt gerne in der Kirche tragen, sagt sie und lacht. Aber da hätte der Priester bestimmt keine Freude.
Dann wird die 40-jährige Mutter von vier Kindern ernst. De la Guerra ist seit elf Jahren verheiratet. «Unsere Ehe war nicht sehr glücklich. Am Anfang schon. Aber die Probleme nahmen von Jahr zu Jahr zu.» Heute lebt sie getrennt von ihrem Mann. Sie sagt, er habe sie immer wieder betrogen. «Mein Mann hatte viele Frauen. Er nahm Drogen und spielte um Geld. Er hatte keine feste Arbeit und war vom Geld meiner Familie abhängig.»
Doch scheiden lassen kann sich Haidee von ihrem Mann nicht. Denn in den Philippinen gibt es keine Scheidung. Und eine neue Beziehung könne sie nicht eingehen, sagt Haidee. «Das ist eine grosse Sünde. Ich bin katholisch und respektiere die Zehn Gebote. Da heisst es deutlich, dass man keine Beziehung haben darf, solange man noch verheiratet ist.»
Koalition unterstützt Recht auf Scheidung
Für die Einführung eines Scheidungsrechts kämpft die Divorce Pilipinas Coalition (CPC). Bisher seien mehrere Anläufe gescheitert, erklärt deren Generalsekretär, Paul Roxas. Öffentlich über eine gescheiterte Ehe zu sprechen, sei für die meisten Menschen tabu; und Kritik an der Kirche ebenso.
Paul Roxas muss sich für seinen Aktivismus selbst bei Freunden und Familienmitgliedern erklären: «Die übliche Reaktion ist: Weshalb willst du, dass man die Scheidung einführt? Willst du dich etwa von deiner Frau trennen?»
Und doch ist Roxas vorsichtig optimistisch. Er und seine Koalition hoffen, dass ein neuer Gesetzesentwurf zur Einführung des Scheidungsrechts von beiden Parlamentskammern verabschiedet wird. In Umfragen unterstützt inzwischen etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung das Recht auf Scheidung.
Ganz anders sieht dies Alma Momongan. Die 50-Jährige engagiert sich in der sogenannten charismatischen Bewegung innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Dass die Philippinen als einziges Land neben dem Vatikan keine Scheidung erlauben, erfüllt sie mit Stolz. Jetzt sei eine gute Zeit für ihr Land, weltbekannt zu sein, stark zu bleiben in der Verteidigung von Gottes Weisheit.
Selbst Häftlinge, die zehn oder über 20 Jahre im Gefängnis sitzen, werden eines Tages in die Freiheit entlassen.
Alma Momongan leitet Gebetsgruppen und berät seit über 20 Jahren Paare in Ehekrisen. «Ich war Zeugin davon, wie Gott die Beziehungen wieder reparieren konnte, dank der Kraft des Gebets. Wenn wir Gottes Willen nicht befolgen, kommt es zu Tragödien. Wissen Sie, der Teufel lauert überall.»
Der einzige Ausweg kostet – und ist nicht garantiert
Einen Ausweg aus der Ehe gibt es zumindest theoretisch. Doch die Hürden sind hoch, der Prozess kompliziert und vor allem teuer. Haidee de la Guerra wollte ihre Ehe annullieren lassen, als hätte sie gar nie stattgefunden. Vier Jahre dauerte das Prozedere, die Anwaltskosten beliefen sich auf mehrere Tausend Franken. Am Ende lehnte das Gericht die Annullierung der Ehe aber ab.
«Ich hoffte, dass die Ehe annulliert würde. Das war meine letzte Chance.» Ihr Mann war nicht vor Gericht erschienen. Der Richter warf ihr vor, voreingenommen zu sein. Haidee findet das unfair und zieht den Vergleich mit Strafgefangenen. «Selbst Häftlinge, die zehn oder über 20 Jahre im Gefängnis sitzen, werden eines Tages in die Freiheit entlassen.» Verheiratete wie sie, sagt Haidee de la Guerra, erhielten keine zweite Chance. Für sie lautet das Urteil lebenslänglich.