Es ist 5 Uhr morgens in Kiambiu, einem Slum in Kenias Hauptstadt Nairobi. Hellen Achayo weckt ihren eineinhalbjährigen Sohn Morlex. Die Kenianerin hat einen langen Tag vor sich. Schon eine Stunde ist sie wach, hat Essen gekocht in der kleinen Einzimmer-Blechhütte, die sie mit einer anderen Frau und deren Kind teilt.
Danach bringt die 17-Jährige Morlex in die Kinderkrippe und macht sich auf den Weg zur Arbeit. Eine ganze Stunde geht sie jeden Morgen zu Fuss. Sie habe sich an den weiten Arbeitsweg gewöhnt.
Unterwegs erzählt Hellen Achayo, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass sie heute bei fremden Familien putzt und wäscht, statt zur Schule zu gehen: «Als Covid kam, verlor mein Vater einen Teil seiner Arbeit.» Die Familie sei plötzlich ohne Geld dagestanden.
Kenia schloss im März 2020 nicht nur die Schulen für neun Monate, auch ganze Wirtschaftssektoren existierten monatelang nicht mehr. Hilfe vom Staat für die Betroffenen, wie in anderen Ländern, gab es in Kenia nicht.
Vor allem in den Slums in den kenianischen Städten gaben fast 90 Prozent der Haushalte an, während des Lockdowns einen Teil oder das gesamte Einkommen verloren zu haben.
So hätten sich Tausende Familien plötzlich in einer sehr prekären Situation befunden, erklärt Karen Austrian. Sie hat in Kenia eine Studie durchgeführt zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Jugendliche: «Vor allem in den Slums in den kenianischen Städten gaben fast 90 Prozent der Haushalte an, während des Lockdowns einen Teil oder das gesamte Einkommen verloren zu haben.»
Das habe besonders Jugendliche betroffen. Mehr als Dreiviertel der befragten Jugendlichen hätten angegeben, auf Mahlzeiten zu verzichten; die Hälfte aller Mädchen sagte, sie hätten sich keine Binden und Tampons mehr leisten können.
Kinderarbeit und Teenager-Schwangerschaft
Viele Kinder und Jugendliche waren gezwungen, für sich selbst zu sorgen. Sie mussten sich einen Job suchen. Bei Mädchen hiess das manchmal auch, sich auf einen Mann einzulassen. Diesen Weg ging auch Hellen Achayo. Die damals 15-jährige Hellen lernte einen etwas älteren Lehrer kennen.
Er kaufte Essen, Tee und Zucker, was sie mit ihrer Familie teilte: «So mussten ich und meine Familie nicht hungrig schlafen», erklärt die Jugendliche. Glücklich mit diesem Arrangement war sie nicht. Als sie schwanger wurde, machte sich der Lehrer aus dem Staub.
33 Franken Lohn im Monat
Und so ist die 17-jährige Hellen Achayo heute ganz auf sich allein gestellt. Ihr Geld verdient die Kenianerin heute, indem sie den Haushalt macht für eine Familie in Nairobi. Sechs Tage die Woche putzt und wäscht sie. Dafür erhält sie 4000 Kenya Shilling, rund 33 Franken. Im Monat. Ein absoluter Dumpinglohn, so wenig zu bezahlen, ist in Kenia gar nicht erlaubt. Das Geld reiche nirgends hin, sagt die Jugendliche.
Und so muss sie sich jeden Tag nach ihrer regulären Arbeit als Taglöhnerin um noch mehr Einkommen bemühen, damit sie sich und ihren Sohn ernähren kann. Zurück in die Schule gehen, ist für die 17-Jährige darum im Moment kein Thema.