- Thüringens neuer FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich gibt einen Tag nach seiner umstrittenen Wahl sein Amt wieder auf.
- «Der Rücktritt ist unumgänglich», sagte Kemmerich in Erfurt.
- Ferner erwägt die FDP-Fraktion, einen Antrag auf Auflösung des Regionalparlaments zu stellen.
- Die umstrittene Wahl des Aussenseiters mit mithilfe der rechtspopulistischen AfD hatte in Deutschland zu heftigen Debatten geführt.
Er wolle den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen, begründete Kemmerich seine Entscheidung. «Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen.»
Weiter sagte er: «Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten – die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen.»
Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten – die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen.
Der bei der Wahl gescheiterte bisherige Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) steht unterdessen weiter als Kandidat zur Verfügung. Das sagte der Vize-Chef der Thüringer Linken, Steffen Dittes.
Kemmerich, dessen FDP im Herbst nur knapp den Sprung in den Thüringer Landtag geschafft hatte, war am Mittwoch mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Nun soll es eine Neuwahl richten. Die FDP-Fraktion wolle einen Antrag auf Auflösung des Landtags stellen, sagte Kemmerich. Dies wäre Voraussetzung für eine Neuwahl.
Empörung bei der CDU Bundespartei über die Wahl
In der Berliner Parteizentrale der CDU war man ob der Wahl des Ministerpräsidenten am Mittwoch aufgebracht. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer drohte den Parteifreunden in Erfurt mit Konsequenzen, falls sie mit dem neuen Regierungschef Thomas Kemmerich (FDP) zusammenarbeiten sollten. «Dieser Ministerpräsident hat keine parlamentarische Mehrheit, er muss sich immer auf der AfD abstützen», sagte sie im ZDF. Eine Kooperation mit dem neuen Ministerpräsidenten zögen «entsprechende Folgen» nach sich.
Es wäre richtig, wenn dieser Ministerpräsident zurücktreten würde.
Ins gleiche Horn stiess Angela Merkel. Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich sei ein «unverzeihlicher Vorgang». Deshalb müsse «das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden», sagte sie während einer Reise in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria. «Es war ein schlechter Tag für die Demokratie.» Die CDU dürfe auf keinen Fall Teil einer Regierung unter Kemmerich werden.
Die Reaktionen in den sozialen Medien auf den Rückzug Kemmerichs folgten am Donnerstag auf den Fuss. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt und SPD-Mitglied, twitterte in aller Kürze: «Endlich.»
Die AfD-Spitzenpolitikerin Alice Weidel zeigte sich dagegen befremdet über den Entscheid Kemmerichs.
Aus Protest gegen die Wahl waren am Mittwochabend deutschlandweit mehrere tausend Menschen auf die Strasse gegangen. In Berlin bekundeten Hunderte Demonstranten vor den Parteizentralen von FDP und CDU ihren Unmut. Auch in Thüringen selbst protestierten Demonstranten gegen den Wahl-Coup der AfD. Vor dem Eingang der Thüringer Staatskanzlei brannten Kerzen, Demonstranten hielten ein Transparent: «FDP und CDU: Steigbügel des Faschismus».
Die schnellsten Rücktritte in der Politik
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Bild 1 von 6. Thomas Kemmerich. Noch ist er im Amt, doch für wie lange? Auf alle Fälle vergingen zwischen der höchst umstrittenen Wahl zum thüringer Ministerpräsidenten und seiner Ankündigung, das Amt wieder zur Verfügung stellen zu wollen, gerade mal 24 Stunden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 6. Philomena Bijlhout – wenige Stunden. Philomena Bijlhout wurde am 22. Juli 2002 Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit und Soziales der Niederlande. Wenige Stunden später trat sie bereits wieder zurück. Ein Fernsehsender hatte berichtet, dass sie zu einer Zeit Mitglied einer Militär-Miliz in Surinam gewesen war, als politische Morde verübt wurden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 6. Dimitris Kammenos – 12 Stunden. Dimitris Kammenos wurde für die zweite Regierung von Alexis Tsipras am 23. Septemer 2015 zum Transportminister ernannt. Der Grieche war zuvor jedoch durch antisemitische und homophobe Äusserungen aufgefallen und seine Ernennung löste einen Sturm der Entrüstung aus. Nach nur 12 Stunden erklärte Kammenos seinen Rücktritt. Bildquelle: RSI.
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Bild 4 von 6. Andrew Yang – 6 Tage im Amt. Ende Juli 2013 wurde Andrew Yang im taiwanesischen Kabinett von Premierminister Jiang Yi-huah zum Verteidigungsminister ernannt. Er kündigte Menschenrechts-Verbesserungen im Militär an. Dazu kam es nicht – Yang trat bereits am 6. August 2013 zurück. Dies, nachdem er zugegeben hatte, dass Teile eines seiner Bücher nicht von ihm stammten. Bildquelle: Screenshot: Taipei Times.
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Bild 5 von 6. Aldo Brancher – 17 Tage im Amt. Brancher war seit 2001 im italienischen Parlament und seit 2008 Staatssekretär, als er im Juni 2010 als Vertrauter von Silvio Berlusconi zum Föderalismus-Minister ernannt wurde. Ein paar Tage später wurde er zudem zum Minister für Dezentralisierung ernannt. Nur ein paar weitere Tage später trat Aldo Brancher wegen eines Bestechungsskandals zurück. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 6. Franz Josef Jung – 33 Tage. Der bisherige deutsche Verteidigungsminister wurde am 28. Oktober 2009 zum Arbeitsminister ernannt. Nach einem Monat im Amt belastete ihn ein Zeitungsartikel zu einem von der Bundeswehr angeforderten Luftangriff im afghanischen Kundus. Jung übernahm die Verantwortung am 27. November 2009 und wurde drei Tage später aus der Bundesregierung entlassen. Bildquelle: Keystone.