Darum geht es: Russlands Regierung soll prüfen, ob das Land seine eigenen Video-Spielkonsolen und Gaming-Plattformen entwickeln kann. Der Befehl kommt von Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich. Für die Anweisung gibt es vor allem zwei Gründe: Einerseits verfolgt Moskau seit Längerem die Idee, digital souverän zu werden – also den digitalen Raum nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Andererseits haben sich viele westliche Unternehmen nach dem Grossangriff Russlands auf die Ukraine aus dem Land zurückgezogen. Es fehlen in Russland also zunehmend Spielkonsolen von Sony & Co.
Gaming ist politisch: Viele Videospiele drehen sich um Krieg und Kampf. Entsprechend politisch sind Video-Games im Jahr 2024 in Russland. «Das beliebteste Game in Russland heisst ‹World of Tanks›», sagt Mareike Müller. Die Journalistin ist Korrespondentin des deutschen «Handelsblatts» in Moskau. Solche und ähnliche Kriegs- und Shooting-Games werden im internationalen Online-Raum gespielt, oftmals in Teams. «Da gibt es Möglichkeiten, ein gewisses Narrativ einzubauen – je nachdem, wie man sie entwickelt», so Müller.
Computergames haben ein riesiges Potenzial – wirtschaftlich, aber auch, um bestimmte politische Botschaften einzubauen.
Meinungsbildung beeinflussen: In Russland nutzen bis zu 80 Prozent der Leute, die über einen Internet-Zugang verfügen, diesen auch zum Spielen, zu diesem Schluss kommen Erhebungen. «Das ist ein riesiges Potenzial – wirtschaftlich, aber auch, um bestimmte politische Botschaften einzubauen», sagt Müller. Putin erwartet nun bis Juni einen Plan von seinem Ministerpräsidenten Michail Mischustin, wie dieser den Auftrag für eigene, russische Spielkonsolen und Games umsetzen will.
Wichtig für Russland: «Der russische Nationalstolz spielt in allen Bereichen der russischen Politik eine sehr wichtige Rolle», stellt die Journalistin Müller fest. Die russische Aussenpolitik und auch die innenpolitischen Konsequenzen derselben – Mobilisierung für den Krieg, Folgen der Sanktionen – würden mit dem Nationalstolz legitimiert. Allerdings. «Bei Dingen wie McDonalds ist der russische Ersatz noch einigermassen einfach zu bewerkstelligen. Bei Video-Games und Spielkonsolen dürfte das schwieriger werden.» Dies nicht zuletzt deshalb, weil viele Programmierer und IT-Fachleute Russland nach Kriegsbeginn verlassen haben.
Schwieriges Unterfangen: Putins Projekt dürfte auch auf einige technische Hürden stossen. Denn Russland hat keine inländischen Prozessoren, die nur ansatzweise schnell genug wären für moderne Spiele. Es gibt auch keine moderne Halbleiterindustrie in Russland. Der Aufbau einer solchen dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, braucht enorm viel Know-how und kostet Milliarden. Deshalb werden die Computerchips auf Jahre hinaus importiert werden müssen – derzeit vor allem aus China. Doch nicht einmal China verfügt laut Kennern über modernste Technologien für Games – das betrifft etwa Grafikkarten.