Der russische Machthaber Wladimir Putin hat die Wiederwahl geschafft – mit einem Rekordergebnis. Laut russischen Staatsmedien soll er gut 87 Prozent der Stimmen geholt haben. Damit kann er seine fünfte Amtszeit als russischer Präsident antreten. SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie in Moskau erklärt, wie Putins Wiederwahl seine Politik verändern dürfte.
Wie ist dieses deutliche Resultat einzuschätzen?
Dieses angebliche Resultat kommt selbst in diesen unfreien Wahlen überraschend. Das Ziel des Kremls war es, über 80 Prozent der Stimmen für Putin zu holen. Aber 87 Prozent sind einige Prozentpunkte mehr, als man erwartet hatte. Im heutigen Russland ist die Angst in der Bevölkerung gross. Deshalb dürften viele auch über seine Basis hinaus Putin gewählt haben. Das Resultat lässt sich einerseits mit Fälschung erklären, aber andererseits durch ein tatsächliches gutes Resultat für Putin, das durch massive Einschüchterung zustande gekommen ist.
Wie unfair war die Präsidentenwahl?
Offensichtlich wurden Tausende Staatsangestellte und auch andere Menschen von ihren Arbeitgebern an die Urne geschickt, um Putin zu wählen. Dazu gibt es verschiedene Berichte. Leute mussten etwa für ihre Chefs ihre Wahlzettel als Beweis fotografieren. Die Wahlen wurden zum ersten Mal über drei Tage und mit elektronischen Wahlmaschinen abgehalten, beides begünstigt Fälschung. Dazu kommt die Angst vor der Repression. Russlands autokratisches System hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Wie war es in einem Wahllokal in Moskau?
Ich war gestern vor Ort in einem Wahllokal. Die Leute wurden dazu genötigt, elektronisch zu wählen. Die Urnen sind durchsichtig und man kann die Wahlzettel nicht falten. Jeder sieht, wen man gewählt hat. In den Wahllokalen gab es eine grosse Polizeipräsenz, teilweise schwer bewaffnet und in Uniform, teilweise ohne Uniform, ohne Ausweis. Ich selbst wurde von einem solchen Herrn kontrolliert, der sich als Polizist vorstellte, aber nicht als solcher zu erkennen war. Die Polizisten haben den Menschen in den Wahlkabinen auf die Zettel geschaut.
Was sagt der Sieg Putins über die Opposition aus?
Der zweitbeste Kandidat hat 4 Prozent der Stimmen geholt. Die Opposition konnte sich in den Resultaten nicht bemerkbar machen, egal ob durch Wahlfälschung oder durch schwache Mobilisierung. Das spricht dafür, dass die Opposition in Russland wirklich nichts mehr ausrichten kann.
Was ist nun von Putins Politik zu erwarten?
Putin wird wohl weniger beliebte Projekte durchboxen. Bisher hatte Russland eine Pauschalbesteuerung. Aber mit dem Krieg braucht der Kreml mehr Geld. Er wird voraussichtlich ein komplizierteres Steuersystem einführen, das den Leuten mehr von ihrem Einkommen abverlangt. Im Sommer sollen zudem die Energiepreise und die Preise für andere öffentliche Dienste angehoben werden. Der Kreml kann sich das jetzt leisten, da er sich nicht mehr so genau um die Stimmung in der Bevölkerung sorgen muss.
Was bedeutet seine Wiederwahl für den Krieg in der Ukraine?
Es wird über eine neue Mobilmachung spekuliert. Wenn der Kreml eine neue lancieren will, dann ist nach diesen triumphalen Wahlen wohl der beste Zeitpunkt dazu. Und die russische Armee könnte eine Mobilmachung gut gebrauchen. Aber der Kreml hat eine neue Mobilmachung schon mehrmals ausgeschlossen. Es würde mich nicht überraschen, wenn die Repression gegen Kriegsgegner weiter zunimmt. Der Kreml kann sich jetzt einiges erlauben und behaupten, er habe das Volk hinter sich.