Der Staatsbesuch: Kremlchef Wladimir Putin ist zum Wochenbeginn bei Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev wie ein alter Freund in der Hauptstadt Baku empfangen worden. Der zweitägige Staatsbesuch kommt Putin sehr gelegen: Er kann demonstrieren, dass Russland keineswegs isoliert und im Südkaukasus weiterhin einflussreich ist. Dies dürfte ihm ein besonderes Anliegen sein, haben sich doch die Länder in der Region in den letzten Jahren tendenziell stärker Europa zugewandt, und Russland ist ein wenig in den Hintergrund gerückt. Die Bilder aus Baku sollen zu Hause auch zeigen, dass alles nach Plan läuft und sich Putin durch den ukrainischen Vorstoss in der russischen Region Kursk nicht aus dem Konzept bringen lässt. Auch den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs muss der Kremlchef beim Autokraten Aliyev nicht fürchten.
Die pragmatischen Beziehungen Aserbaidschans: Die Beziehungen zwischen Baku und Moskau haben sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine deutlich verbessert. Der wichtigste Faktor ist dabei das Gasgeschäft: Die EU hat ihre Gasimporte aus Russland wegen des Kriegs stark reduziert und kauft nun mehr Gas aus Aserbaidschan. So viel, dass das gasreiche Land selbst für den Eigenbedarf importieren muss. Hier verdient Russland letztlich auch daran, dass Aserbaidschan mehr Gas nach Europa verkauft. Auch wenn Aserbaidschan ein wichtiger Handelspartner der EU ist, ist Putin sehr willkommen. Von ihm muss Aliyev auch keine Kritik an der schlechten Menschenrechtslage befürchten.
Der Konflikt mit Armenien: Die neue Handelspartnerschaft mit Aserbaidschan hat auch Russlands Verhältnis zu Armenien verändert. Hatte sich Russland ehemals als Schutzmacht Armeniens im Konflikt um Bergkarabach positioniert und auch Friedenstruppen stationiert, so ist davon nichts geblieben. Russland tat in den letzten zwei Jahren sehr wenig, als Aserbaidschan gegen Armenien und Bergkarabach immer bedrohlicher auftrat. Beim Angriff Aserbaidschans im letzten Herbst auf Bergkarabach und der Vertreibung der armenischen Bewohner schritten die russischen Friedenstruppen gar nicht ein. Armenien realisierte endgültig, dass auf Russland kein Verlass mehr war und sucht darum noch stärker die Nähe zu Europa. Das hat den Kreml zusätzlich verärgert. Aber auch die Tatsache, dass Aserbaidschan mit der Türkei verbündet ist, spielt für Russland beim Richtungswechsel in Armenien eine Rolle, denn Moskau will Ankara nicht brüskieren.
Die möglichen Folgen: Die Annäherung zwischen Putin und Aliyev dürfte auch den offiziell laufenden Verhandlungsprozess zwischen Aserbaidschan und Armenien komplizieren, der einen langfristigen Friedensvertrag zum Ziel hat. In diesen Verhandlungen versucht auch die EU zu vermitteln. Vor allem Frankreich vertritt die Interessen von Armenien, das militärisch gegen Aserbaidschan praktisch wehrlos und in den Verhandlungen am kürzeren Hebel ist. Russland hat zwar wenig Einfluss auf Entscheidungen der Regierung in Baku. Doch könnte Moskau die Position Aserbaidschans in gewissen Streitpunkten mit dem Westen stärken, der zurzeit eine pragmatische Geschäftsbeziehung mit Alijew unterhält. Putin erhielte so eine weitere Möglichkeit, der EU einen Strich durch die Rechnung zu machen.