Der von US-Präsident Joe Biden vorgestellte Friedensplan für den Gazastreifen könnte für Israel zur Zerreissprobe werden. Mitglieder der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu drohen mit einem Ende der Koalition, sollte Israel dem Friedensplan zustimmen. Der Friedensplan sieht eine Waffenruhe und den Rückzug der israelischen Streitkräfte vor sowie die Freilassung israelischer Geiseln und palästinensischer Gefangener. Am Samstagabend demonstrierten in mehreren Städten in Israel Zehntausende für diesen Plan und forderten Neuwahlen, berichtet die Journalistin Inga Rogg.
SRF News: Der Friedensplan sorgt in Israel für grosse Diskussionen in der Politik, aber auch auf der Strasse. Wie erleben Sie das?
Inga Rogg: Am Samstagabend haben so viele Menschen demonstriert wie seit dem 7. Oktober nicht. Es war einer der grössten Proteste, angeführt von Angehörigen der Geiseln, die ganz klar forderten, dass die Regierung dieser Vereinbarung zustimmen solle. Es gibt aber auch unter diesen Protestierenden Kritiker dieser Vereinbarung, die US-Präsident Joe Biden vorgestellt hat. Einer der Protestierenden sagte, mit der Hamas könne es keinen Frieden geben, die Hamas müsse besiegt werden.
Vorgestellt wurde der Friedensplan von US-Präsident Joe Biden mit den Worten, es sei an der Zeit, diesen Krieg zu beenden. Steigt damit jetzt für die israelische Regierung der Druck von aussen?
Biden machte in seiner Rede ganz deutlich, dass eine Fortsetzung des Krieges im Gazastreifen nur dazu führen würde, dass die israelischen Truppen dort im Morast landen würden, ohne ihr Ziel zu erreichen und die internationale Isolation Israels zunehmen würde. Deshalb appellierte Biden direkt an die israelische Öffentlichkeit, dieses Angebot anzunehmen.
Wie reagierte denn die Hamas auf den Friedensplan?
Die Hamas hat in einer ersten Stellungnahme diesem Angebot zugestimmt. Dann gab aber ein Mitglied des Politbüros, also der politischen Führung der Hamas, dem Sender Al-Jazeera in Katar ein Interview, in dem er das wieder relativierte. Er wiederholte die Forderungen der Hamas unter anderem einen permanenten Waffenstillstand und ein vollständiger Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen. Er sagte, Israel müsse diese Forderungen explizit zustimmen.
Die schlimmste Alternative wäre, dass der Krieg einfach weitergeht wie bisher.
Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in den kommenden Tagen?
Man kann sich schwer vorstellen, dass Benjamin Netanjahu, der diesen Plan bisher weder dementiert noch bestätigt hat, US-Präsident Joe Biden direkt herausfordert. Er hat mehrere Möglichkeiten: Er könnte das Angebot der Opposition annehmen, ihn zu unterstützen und seine Regierung zu unterstützen, sollte er diesem Plan zustimmen. Oder er könnte einen Weg finden, seine rechtsextremen Koalitionspartner dann doch auf irgendeine Weise mit ins Boot zu holen. Die schlimmste Alternative wäre, dass der Krieg einfach weitergeht wie bisher.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.