Im südlichen Teil der Ukraine wurde der Kachowka-Staudamm gesprengt. Noch ist nicht klar ist, wer dafür verantwortlich ist, obgleich die Hinweise Richtung Kreml deuten. «Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, weshalb die Ukraine diesen Damm sprengen sollte», sagte etwa Steffen Schwarzkopf, Ukraine-Reporter der deutschen Tageszeitung «Die Welt», gegenüber SRF.
Klar ist: Der zerstörte Staudamm kommt einer Katastrophe gleich. Die Ukraine spricht von einem Ökozid, also einer kriminellen Umweltzerstörung.
Auch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zeigte sich «tief besorgt» und betonte: «Systematische militärische Angriffe auf zivile Infrastruktur stellen eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts dar.» Bereits Augenblicke nach der Explosion berief Präsident Wolodimir Selenski eine Krisensitzung ein.
Die Folgen der Explosion sind weitreichend. 24 Ortschaften stehen bereits unter Wasser, wie beispielsweise die Lage beim Verwaltungsgebäude der nahe gelegenen Stadt Nowa Kachowka verdeutlicht. Laut den russischen Besetzern sind in der Stadt 100 Menschen von den Fluten eingeschlossen worden – die Rettungsaktion läuft.
Stunden nach dem Dammbruch stand das Wasser bereits metertief. Man geht davon aus, dass rund 100 Quadratkilometer – eine Fläche grösser als der Zürichsee – betroffen sein könnten.
Derweil läuft eine gigantische Evakuierungsaktion. Die ukrainischen Behörden evakuieren mehr als 17'000 Menschen mit Autos, Bussen und Zügen. 25'000 weitere bedrohte Zivilisten leben auf dem von Russland kontrollierten Gebiet.
Nach dem Bruch des Staudamms hat die russische Armee die Region rund um die von der Katastrophe betroffene Grossstadt Cherson beschossen. Gemäss dem ukrainischen Innenministerium gab es ein Todesopfer. Die Evakuierung ist trotzdem im Gange.
Das Wasser fliesst derweil weiter mit grosser Wucht aus dem Stausee in Richtung Schwarzes Meer. Die riesige Wassermenge bedroht nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere. So wurde in der Stadt Nowa Kachowka ein Zoo mit etwa 300 Tieren überflutet. Praktisch alle Tiere kamen dabei ums Leben – darunter Affen, Esel und Ponys.
Die Ukraine hatte Cherson im vergangenen Herbst zurückerobert. Seither stellt sich die Frage, ob Kiew weiter Richtung Süden vorstossen kann. Dieses Vorhaben wird nun komplizierter, die riesigen Wassermengen erschweren das Übersetzen der ukrainischen Truppen. Das Bild oben zeigt eine Frau mit ihren beiden Hunden in der Stadt Cherson, rund 50 Kilometer vom Staudamm entfernt. Das Bild unten zeigt die überflutete Grossstadt.
Während die Wassermassen gegen Süden grosse Zerstörung verursachen, fehlt es weiter nördlich. Schon Stunden nach der Explosion ist der Wasserpegel im Dnipro bei Saporischja gesunken.
Das könnte Folgen haben, denn in der Region Saporischja befindet sich das grösste Atomkraftwerk Europas. Und das Wasser des Kachowka-Stausees wird eigentlich dafür benötigt, die Anlage sicher betreiben zu können.
Noch gibt die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) Entwarnung; unmittelbare Folgen dürften ausbleiben. Die Kühlung sei für mehrere Monate sichergestellt. Der nahegelegene Kühlteich sei gegenwärtig voll und die sechs Reaktoren heruntergefahren, wie die UNO-Agentur mitteilt. Massnahmen zur Einsparung von Wasser seien ebenfalls bereits eingeleitet worden.