Im Osten der Ukraine tobt ein blutiger Stellungskrieg um die Stadt Bachmut. Die Russen greifen pausenlos an und rücken langsam, aber stetig vor. Nur eine knappe Autostunde von Bachmut entfernt liegt die Grossstadt Kramatorsk, eine Rückzugsbasis der ukrainischen Armee.
Der Krieg ist in Kramatorsk gut hörbar. Ein fernes Donnergrollen durch Artillerie, dumpfe Explosionen im Minutentakt. Die Stadt ist voller Militär, vor allem im Zentrum sind zahlreiche Gebäude durch Raketenbeschuss beschädigt.
Kramatorsk ist das Zentrum des ukrainisch kontrollierten Donbass. In diesem militärischen Vorposten im Osten erholen sich die ukrainischen Frontkämpfer. Von Kramatorsk aus wird aber auch der ganze Abwehrkampf in diesem wichtigen und sehr umkämpften Frontabschnitt organisiert.
Anreise durch apokalyptische Szenerie
Nach Kramatorsk gelangt man über von Russland besetzte und von der Ukraine zurückeroberte Gebiete. Die Zerstörung ist unterschiedlich. Manche Dörfer sind so gut wie heil geblieben, andere Ortschaften sind komplett zerstört; alle Häuser zerschossen und verkohlt. Es ist ein apokalyptisches Bild mit rostigen Panzerwracks und der von Artilleriegranaten aufgerissenen Erde.
Nur wenige Menschen leben noch in den verheerten Ortschaften. Deren Lage ist prekär. Eine Familie mit drei kleinen Kindern etwa, die in einem zerschossenen und notdürftig reparierten Haus überlebt. Es fehlt an allem, sogar an Brennholz. Die Mutter trägt mit dem jüngsten Sohn aus zerstörten Nachbarhäusern Dachbalken und Möbel zusammen für ihren Kachelofen, um wenigstens warm zu haben.
Aus der umkämpften Stadt Bachmut an der Front mit einst 75'000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind gemäss Berichten die meisten geflohen. Doch es gibt noch solche, die ausharren und in den Kellern irgendwie überleben. Der russische Dauerbeschuss hat 70 Prozent der Häuser zerstört, wie mir ein ukrainischer Offizieller erklärte. Die Russen stehen am Stadtrand und sind zum Teil bereits in Vororte eingedrungen. Der Strassenkampf hat begonnen.
Ukrainische Soldaten von der Front in Bachmut berichten von einer «schwierigen Situation», was wohl beschönigend formuliert ist. Denn die Russen greifen offenbar ununterbrochen an, mit allem, was sie haben – Artillerie, Panzer und Raketen. Und auch ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Ein Soldat erzählte mir von seinen Kameraden in Schützengräben. Auf dem Feld davor Dutzende Leichen russischer Soldaten, die nach jeder Angriffswelle mehr würden und nicht geborgen werden können.
Das Tor zum Donbass
Die Russen versuchen zurzeit, Bachmut einzukreisen und die Versorgungswege abzuschneiden. Dabei rücken sie langsam, aber stetig vor, wie man hört. Für die ukrainischen Verteidiger der Stadt wird die Lage immer schwieriger.
Falls die Russen Bachmut erobern, wäre der Weg frei für weitere Angriffe auf den Donbass. Sie könnten dann versuchen, Kramatorsk anzugreifen, diesen letzten grossen ukrainischen Vorposten in der Region.