Die EU und die USA haben scharfe Sanktionen gegen RUssland verhängt. Verschiedene Länder, darunter auch EU-Staaten wie Estland und Lettland sowie die Ukraine fordern, dass russische Banken zudem vom Zahlungssystem Swift ausgeschlossen werden sollen. Jan Oetting ist Leiter der Cybersecurity des Beratungsunternehmens Consileon. Er sagt, was der Ausschluss von Swift für Konsequenzen hätte – und für wen.
SRF News: Bisher sehen die US- und EU-Sanktionen noch keinen Ausschluss von Russland aus Swift vor. Warum?
Jan Oetting: Am Donnerstag wurden bereits weitgehende Sanktionen verkündet. Die zehn grössten Banken in Russland werden ab morgen Samstag sanktioniert und können dann nicht mehr mit Dollar handeln. Es geht um 50 Milliarden Dollar, die diese jeden Tag über Swift senden. Russland wird von der westlichen Wirtschaft isoliert. Es gibt einige wenige Geschäfte, die ausgenommen sind, insbesondere die Energie. Wenn Swift komplett für Russland abgeschaltet würde, könnten wir das Erdgas nicht bezahlen und Russland würde die Lieferung einstellen.
Welche Folgen hätte es, wenn Russland ausgeschlossen würde?
Ich vermute, dass Putin dies als Kriegserklärung auf dem Finanzplatz ansehen würde und dass er zurückschlagen möchte. Das kann er nicht mit Sanktionen, denn der Rubel ist zu unbedeutend dafür.
Wir können erwarten, dass in den nächsten Tagen oder Wochen in kritischen Sektoren wie dem Finanzbereich, der Energie, der Wasserversorgung Angriffe auf uns zukommen.
Die westlichen Sicherheitsbehörden haben die westlichen Unternehmen vor Angriffen auf kritische Sektoren wie den Finanzbereich, Energie, Wasser und so weiter gewarnt. Wir können erwarten, dass in den nächsten Tagen oder Wochen dort Angriffe auf uns zukommen.
Sie befürchten, dass Russland zurückschlägt, wenn es von Swift ausgeschlossen wird. Wie denken Sie, würde Russland dies denn tun?
Wir haben in der Ukraine gesehen, dass Russland dort Sabotageaktionen durchgeführt hat. Geldautomaten wurden blockiert, Rechner von Behörden wurden gelöscht und so weiter.
Die echten Schwachstellen einer Bank sind immer die Zahlungssysteme. Nur bei denen kann Geld entnommen werden.
Doch das sind nur kleine Störaktionen. Die echten Schwachstellen einer Bank sind immer die Zahlungssysteme. Nur über die kann Geld entnommen werden. Man braucht dafür Hacker, Swift-Experten, Scheinfirmen in der Dritten Welt, um die Summen abzuheben. All das ist sehr aufwendig. Aber Russland ist im Cyberraum eine Grossmacht.
Was, wenn Russland mit dieser Taktik erfolgreich wäre?
Man muss wissen, dass Cyberangriffe selten punktgenau auf einzelne Firmen abzielen. Man könnte sich vorstellen, dass Hacker Viren-verseuchte Mails an viele europäische Banken schicken. Bei ein paar wenigen haben sie Erfolg. Sie würden versuchen, dort zum Swift-System vorzudringen und Geld auszuleiten. Auch wenn sie nur bei ein paar wenige Erfolg hätten, gäbe das eine neue Krise in der Bankenwelt.
Welche Möglichkeiten hat der Westen, um auf solche Szenarien zu reagieren?
Politiker drohen damit, dass sie einen solchen Angriff als kriegerischen Akt werten. Aber man ist bei einem Cyberangriff nie ganz sicher, wo er herkommt. Das kann kein Grund sein, einen Krieg zu erklären. Wir müssen sicherstellen, dass unsere kritischen IT-Systeme sicher sind.
Wenn wir Swift abschalten, dann schalten wir auch unsere Energieversorgung ab und müssen uns selbst versorgen
Sie finden es also sinnvoll, dass der Ausschluss von Swift noch nicht als Sanktion eingesetzt wurde?
Ich finde es angemessen. Es ist noch Handel möglich mit kleineren russischen Banken möglich. Die grossen Geldflüsse sind gestoppt. Wenn wir Swift abschalten, dann schalten wir auch unsere Energieversorgung ab und müssen uns selbst versorgen. Das wird Europa stärker treffen als Russland. Und deswegen ist es – glaube ich – klug, dass wir diese Geldflüsse aufrechterhalten.
Das Gespräch führte Claudia Weber.