Plötzlich sind sie weg von der Front in der Ukraine – die geschätzt bis zu 12'000 nordkoreanischen Soldaten, die für Russland kämpften. Das melden ukrainische und amerikanische Geheimdienste. Die Truppen hätten durchaus Einsatzerfolge erzielt, sagt Militäranalyst Hendrik Remmel vom German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS).
SRF News: Die nordkoreanischen Soldaten sind von der Front in der Ukraine verschwunden. Ist ihr Einsatz gescheitert?
Hendrik Remmel: Die nordkoreanischen Kräfte waren vermutlich sechs bis acht Wochen in offensive Kampfhandlungen verwickelt. Dies in einem Gelände, dass sie nicht kennen und in einem Gefechtsumfeld, das sie so vorher nicht erlebt haben. Sie kämpften dabei gegen die besten Brigaden der ukrainischen Streitkräfte. Angesichts der Raumgewinne, welche die russischen Verbände erzielten, ist der Einsatz der Nordkoreaner wohl insgesamt nicht gescheitert.
Es liegt in der Natur dieser Offensivoperation, dass sie früher oder später Verluste erleiden und ‹zerschlagen› werden.
Es liegt in der Natur dieser Offensivoperation, dass sie früher oder später Verluste erleiden und zerschlagen werden. Sie wurden nun aus der Frontlinie herausrotiert und werden – mit neuem Personal und Material ausgestattet – wohl in wenigen Wochen wieder mitkämpfen. Die russischen Streitkräfte auf der Frontlinie haben genug Personal, um es regelmässig auszutauschen.
Wie wurden die Nordkoreaner eingesetzt?
Die in der Region Kursk eingesetzten nordkoreanischen Kräfte bezeichnen sich selbst als Spezialkräfte. Im Nato-Standard sind es aber sehr wahrscheinlich leichte Infanteriekräfte. Sie sind sicher besser ausgebildet als der durchschnittliche nordkoreanische Soldat. Spezialkräfte im westlichen Sinn mit Aufgaben wie Sabotage, Tiefenaufklärung oder Geiselbefreiungen sind es aber nicht. Sie werden in klassischen infanterie-lastigen Operationen eingesetzt – in Wäldern und urbanen Räumen, um zusammen mit den russischen Verbänden die ukrainischen Verteidiger zu bekämpfen.
Die Nordkoreaner erzielten Einsatzerfolge im Rahmen der russischen Einsatzdoktrin, die grosse Verluste in Kauf nimmt.
Wie effektiv waren die nordkoreanischen Soldaten?
Im Ergebnis muss man sagen, dass die ukrainischen Top-Brigaden nicht in der Lage waren, die Raumgewinne in der Kursk-Offensive zu halten. Nur noch ungefähr 40 Prozent der Raumgewinne sind in deren Hand. Die nordkoreanischen Kräfte erzielten in der linken Flanke dieser Offensivoperation teilweise beachtliche Raumgewinne. Sie erzielten also durchaus Einsatzerfolge – in einer russischen Doktrin, bei der Personal- und Materialverluste billigend in Kauf genommen werden.
Wo hatten die Nordkoreaner die grössten Schwierigkeiten?
Bei der operativen Führungsfähigkeit und der Integration der Nordkoreaner in die russischen Regimenter spielte sicher die Sprachbarriere eine immense Rolle. Ohne einheitliche Sprache ist es schwierig, Feuer und Bewegung eng zu koordinieren. Nachweislich hatten die Nordkoreaner Probleme, sich an das Gefechtsfeld zu gewöhnen, wo Aktivitäten frühzeitig durch Drohnen aufgeklärt und angegriffen werden. Hier lagen sicher einige Ursachen für die Verluste von ungefähr 2000 Soldaten auf nordkoreanischer Seite.
Die Ukrainer werden die Region Kursk vermutlich nicht nachhaltig verteidigen können.
Wie geht es weiter?
Die Russen wollen das von den Ukrainern eingenommene Gelände in der Region Kursk wie auch im Donbass sukzessive zurückerobern. Sie gehen recht langsam und ohne taktische Finesse vor und setzen dabei auf hohe Feuerraten und nehmen hohe Verluste in Kauf. Die Ukrainer werden die Region Kursk vermutlich nicht nachhaltig verteidigen können. Die regenerierten Nordkoreaner werden die Russen wohl bald wieder unterstützen.
Das Gespräch führte Nicolà Bär.