Die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz in Libanon haben sich verschärft. Inzwischen operieren israelische Soldaten auch am Boden im Nachbarland, und die Luftangriffe gehen unvermindert weiter. Was bedeutet das für die rund 1200 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in Libanon?
Eine von ihnen ist die Architektin und junge, zweifache Mutter Souraya Khaled. Sie sagt: «Seit rund einer Woche ist es furchtbar. Es gibt Tag und Nacht Explosionen.» Sie hat Angst. Auch die letzte Nacht sei heftig gewesen, die Familie konnte nicht schlafen.
Ihr Sohn wird heute drei Jahre alt. Und wenn er fragt, was draussen so viel Lärm mache, sagt ihm die Mutter, das sei nur ein Spiel. Dass sie ihn anlügen, bedrückt die Eltern.
Explosionen kommen immer näher
Souraya Khaled wohnt mit ihrer ganzen Familie in Beirut. Vor ein paar Tagen kamen die Explosionen näher, eine davon ereignete sich in der Nähe ihrer Eltern. «Es ist schrecklich, mitzuerleben, was hier passiert», sagt sie.
Souraya Khaled hat sich daran gewöhnt, in einem instabilen Land zu leben. Zwar habe es in den vergangenen Jahren immer wieder gewalttätige Zwischenfälle in Libanon gegeben, allerdings nicht in Beirut. Deshalb sagt sie: «Es war okay.» Auch wenn es mal kein Wasser gab oder der Strom weg war, das Telefon und der Internetzugang unterbrochen waren. So gesehen, sei das Leben hier noch nie einfach gewesen.
Doch jetzt eskaliere die Situation. Viele Leute hätten ihre Häuser verlassen, lebten auf der Strasse oder in Gemeinschaftsunterkünften mit anderen zusammen. «Es gab schon zwei Explosionen mitten in Beirut. Jetzt haben wir Angst», sagt Souraya Khaled.
Die junge Mutter fragt sich: «Was, wenn unser Haus als nächstes getroffen wird?» Angesichts der unsicheren Lage möchte sie aus Libanon ausreisen, in die Schweiz.
Deutschland, Spanien oder Grossbritannien holen ihre Bürgerinnen und Bürger heim. Die Schweiz nicht. Evakuierungsflüge für Privatpersonen kämen nur bei unvorhersehbaren Krisen infrage, heisst es im Aussendepartement EDA. Das sei bei Libanon nicht der Fall.
Schweizer Bürger auf sich selber gestellt
Souraya Khaled fühlt sich im Stich gelassen. Das EDA hat die Schweizer in Libanon jedoch bereits im August per E-Mail aufgerufen, aus Libanon auszureisen. Auf eigene Kosten und Gefahr.
Schwierige Lage für die Menschen in Libanon
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Bild 1 von 6. Tausende Menschen sind innerhalb Libanons auf der Flucht. Viele von ihnen haben Mühe, irgendwo unterzukommen und ruhen sich erst einmal aus, wie hier in einem Park in Beirut. Bildquelle: Keystone/Wael Hamzeh.
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Bild 2 von 6. Viele Familien wissen nicht, wohin sie fliehen sollen. Derzeit gilt Beirut noch als einigermassen sicheres Gebiet – und dort vor allem die nicht-schiitischen Viertel. Doch Wohnungen und Zimmer sind entweder extrem teuer – oder gar nicht zu mieten. Bildquelle: Keystone/Bilal Hussein.
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Bild 3 von 6. Überall in der Hauptstadt Beirut haben Menschen ihr Lager aufgeschlagen. Viele konnten bei ihrer Flucht nur wenige Habseligkeiten mitnehmen. Bildquelle: Keystone/Wael Hamzeh.
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Bild 4 von 6. Auch an der Meerespromenade in Beirut schlafen Menschen auf der Flucht vorerst im Freien. Bildquelle: Keystone/Hassan Ammar.
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Bild 5 von 6. In der Nacht auf Montag hat Israel ein Wohnhaus im sunnitischen Quartier Beiruts angegriffen. Dabei sollen drei Hamas-Anführer getötet worden sein. Bildquelle: Keystone/Hussein Malla.
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Bild 6 von 6. In der Bekaa-Ebene und im Süden Libanons – dort, wo die Hisbollah besonders stark ist und ihre Raketen- und Waffendepots versteckt haben soll – gehen die israelischen Bombardements derweil weiter. Bildquelle: Reuters/Aziz Taher.
Warum ist Souraya Khaled nicht früher gegangen? Es sei nicht einfach, sein Land zu verlassen, sagt sie, die Gefahr sei jetzt akut und sie habe Angst um ihre Familie.
Zurzeit gibt es keine Direktflüge in die Schweiz, doch Familie Khaled denkt über Alternativen nach. Eine Möglichkeit wäre, via Türkei in die Schweiz zu fliegen – oder per Boot nach Zypern. Dies als Plan B: «Wenn wir unseren Kindern hier keine sichere Zukunft geben können, dann fliehen wir. Auf jeden Fall – auch ohne Hilfe der Schweiz.»