Worum geht es? Die EU-Justizbehörde Eurojust hat am Montag zusammen mit Partnern in Den Haag ein neues internationales Strafverfolgungszentrum eröffnet. Eurojust ist die Behörde der EU, die seit Jahren dafür sorgt, dass die Länder der EU in Justizfragen zusammenarbeiten.
Was ist das Hauptziel des neuen Zentrums? Es sollen Beweise speziell zur Verfolgung russischer Angriffe gesammelt werden und gezielt Anklagen gegen mutmassliche Täter vorbereitet werden. Die ukrainische Staatsanwaltschaft stellte bis heute mehr als 70'000 mutmassliche Kriegsverbrechen fest, es wurden mehr als 300 Anklagen erhoben und bereits Urteile gefällt. In 17 weiteren Ländern laufen ebenfalls strafrechtliche Ermittlungen.
Was tut der internationale Strafgerichtshof? Der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag leitete kurz nach der russischen Invasion Ermittlungen zu Kriegsverbrechen ein. Chefankläger Karim Khan schickte die grösste Gruppe an Ermittlern ins Kriegsgebiet, die der Gerichtshof je entsandt hatte. Ausserdem wurde ein eigenes Büro in Kiew eröffnet. Khan erliess auch bereits Haftbefehle gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa wegen der mutmasslichen Verschleppung von ukrainischen Kindern nach Russland.
Wieso können die Verbrechen nicht vor dem Strafgerichtshof verhandelt werden? Russland erkennt den Weltstrafgerichtshof nicht an. Auch die Ukraine ist zwar kein Vertragsstaat, hatte aber in der Vergangenheit die Zuständigkeit des Gerichts anerkannt. Daher darf das Gericht nun auch zu Verbrechen auf ukrainischem Grundgebiet ermitteln. Doch das gilt nur für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord – aber nicht für den Straftatbestand der Aggression.
Vor welchem Gericht können diese Beweise verwendet werden? «Man hat vorläufig ein Sondergericht geschaffen», sagt Thomas Verfuss, freier Journalist in den Niederlanden. «Längerfristig – nach entsprechenden Regelanpassungen soll es aber keinen Unterschied mehr machen, welche Staatsangehörigkeit man hat, wenn man einen Staat angreift», so Verfuss.
Ist sicher, dass diese Beweise überhaupt verwendet werden können? Nein. Das sei bei der internationalen Strafgerichtsbarkeit immer so, sagt Thomas Verfuss. «Es gibt ja nicht nur das Zuständigkeitsproblem, sondern auch das Verhaftungsproblem. Internationale Gerichte haben keine eigene Polizei und es muss jemand gefunden werden, der bereit ist, die Verdächtigen aufzuspüren und festzunehmen.»