Greta Thunberg ist der heimliche Star am diesjährigen WEF. Die Reise der jungen schwedischen Klimaaktivistin nach Davos sorgt für Schlagzeilen. Auf Facebook und in den Kommentarspalten von SRF häufen sich jedoch kritische Worte über das Tun der 16-Jährigen. SRF-Klimaexperte Klaus Ammann äussert sich zu den sechs häufigsten Vorwürfen.
1. Sie geht nicht zur Schule und animiert andere Jugendliche zum Schwänzen
Dazu kann ich nur sagen, dass Greta Thunberg sehr wohl zu Schule geht, dass sie aber in den letzten Monaten jeweils freitags geschwänzt hat, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Streik ist grundsätzlich legitim, wobei Schüler natürlich in erster Linie sich selbst schaden, wenn sie nicht zur Schule gehen. Greta und die klimastreikenden Schüler rund um die Welt argumentieren damit, dass es ja keinen Sinn ergibt, zur Schule zu gehen, wenn sie wegen des Klimawandels keine Zukunft hätten.
2. Das Ganze ist ein reines Ego-Projekt eines Teenagers
Das kann man sicherlich so sehen. Greta macht allerdings nicht den Eindruck, dass sie nach Aufmerksamkeit für ihre Person lechzt. Ich hatte eher das Gefühl, dass sie den ganzen Rummel auf sich nimmt – um der Sache, die ihr wichtig ist, willen. Sie wirkt authentisch. Natürlich hat sie diesbezüglich, dank ihren Eltern – die Mutter ist Opernsängerin, der Vater Schauspieler – bessere Voraussetzungen als andere Gleichaltrige.
3. Als Asperger-Autistin bräuchte sie Hilfe statt Aufmerksamkeit
Greta sagt selbst, sie könne sich stunden-, gar tagelang mit einem Thema, in letzter Zeit vor allem mit dem Klimawandel befassen. Ob sie das aufgrund des Asperger-Syndroms besser kann als andere Gleichaltrige, ist für mich schwierig zu beurteilen. Ich finde es grundsätzlich aber höchst problematisch, wenn ihre radikale, kritische Haltung mit Asperger in Verbindung gebracht und so diskreditiert wird.
4. Greta lässt sich von Klima-Lobby und Medien missbrauchen und wird manipuliert
Es ist klar, dass Klimaschutz-Organisationen gerne auf Greta verweisen, teilweise gar versuchen, sie zu vereinnahmen. Dass Klimaschützer die Jugendliche aktiv «missbrauchen» oder «manipulieren», habe ich von aussen bisher nicht feststellen können.
5. Sie hat keine Ahnung vom Klima und keine Lösungen
Dem würde ich widersprechen. Sie scheint die Grundprobleme des Klimawandels sehr wohl verstanden zu haben. Auch im Austausch mit Klimaforschern ist sie im Stande, informierte Fragen zu stellen. Auch hat sie Lösungsideen, wenn auch radikale und politisch unrealistische. Greta will die sofortige Reduktion der CO2-Emissionen. Sie versucht mit gutem Beispiel voranzugehen. Laut Medienberichten ernährt sie sich vegan, fliegt nicht und hat ihren Konsum auf ein Minimum beschränkt.
6. Vorwürfe an die Eltern: «Mutter Links-Extremistin, Vater handelt mit CO2-Zertifikaten»
Für Vorwürfe in so ausgeprägter Form habe ich keine Bestätigung finden können. Gretas Mutter verzichtet angeblich seit einigen Jahren aufs Fliegen und tritt als Sängerin nur noch in Schweden auf. Zudem hat sie ein Buch über ihre Tochter geschrieben. Der Vater arbeitet laut Medienberichten mit der Klimaschutz-Plattform «We don’t have time» zusammen. Er ist dort aber weder als Mitarbeiter noch als Teilhaber aufgeführt. Offensichtlich scheint er die Meinung seiner Tochter zu teilen und ihr Engagement zu fördern. Daraus einen Manipulationsvorwurf abzuleiten, scheint mir aber gewagt.