Der prominente chinesische Bürgerrechtsanwalt Wang Quanzhang ist zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der kritische Anwalt sass schon seit dreieinhalb Jahren hinter Gittern, ohne dass seine Familie ein Lebenszeichen von ihm erhielt. Nun befand ihn das zweite mittlere Volksgericht in Tianjin der Untergrabung der Staatsgewalt für schuldig.
Die Details des Urteils seien nicht öffentlich bekannt, berichtet SRF-Korrespondent Martin Aldrovandi: «Offenbar können die dreieinhalb Jahre, die er schon inhaftiert war, aber angerechnet werden. Er müsste dann also noch rund ein Jahr ins Gefängnis.»
Wang Quanzhang arbeitete für die mittlerweile geschlossene Anwaltskanzlei Fengrui, die unter anderem den Künstler Ai Weiwei vertreten hatte. Kanzleigründer Zhou Shifeng wurde ebenfalls wegen «Untergrabung der Staatsgewalt» zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Verhärtung unter Xi Jinping
Beide Anwälte waren im Sommer 2015 im Zuge einer Verfolgungswelle gegen rund 300 Anwälte, Kanzleimitarbeiter, Aktivisten und Verwandte festgenommen worden. Andere traf es in der Vergangenheit noch härter. Aldrovandi erinnert etwa an den verstorbenen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo. Er erhielt wegen der gleichen Vorwürfe elf Jahre Haft.
Das Urteil stiess international auf Ablehnung. «Es ist empörend, dass Wang Quanzhang bestraft wird, weil er sich friedlich für Menschenrechte in China eingesetzt hat», sagte Doriane Lau von Amnesty International. Das Urteil sei eine «grobe Ungerechtigkeit».
Der Anwalt müsse sofort und ohne Bedingungen freigelassen werden. «In den drei Jahren bis zu seinem Scheinprozess haben die Behörden Wang Quanzhang in einem schwarzen Loch verschwinden lassen, wo er vermutlich gefoltert worden ist», sagte die Amnesty-Mitarbeiterin.
«Wang Quanzhang hat kein Verbrechen begangen, und er hätte gar nicht erst inhaftiert werden dürfen», sagte Maya Wang, Forscherin von Human Rights Watch in Hongkong. Er habe jahrelang unermüdlich jene Mitglieder der Gesellschaft vertreten, die am wenigsten Schutz genossen hätten und ausgebeutet worden seien. «Und dafür wurde er jetzt verurteilt», sagte die Aktivistin.
Keine Milde für Menschenrechtsaktivisten
Schon länger steht China wegen seines repressiven Vorgehens gegen Menschenrechtsaktivisten in der Kritik. Seit Staats- und Parteichef Xi Jinping an der Macht ist, beklagen Beobachter eine weitere Verschlechterung der Menschenrechtslage.
Aldrovandi bestätigt das Verdikt. «Die Verhaftungswelle von 2015 etwa war eine regelrechte Razzia.» Die damals Verhafteten seien in vielen Fällen namhafte Aktivisten gewesen: «Sie haben versucht, die Möglichkeiten des chinesischen Justizsystems auszuloten.»
Dies werde nun nicht mehr geduldet. «Die Behörden gehen mit aller Härte dagegen vor», so der SRF-Korrespondent. Auch nach aussen demonstrierte Peking Härte – die Angeklagten wurden an den Pranger gestellt: «So mussten verhaftete Anwälte ihre Schuld öffentlich zugeben und sich selbst bezichtigen.»