«Sportswashing» ist nichts Neues und schon gar nicht etwas, das nur Saudi-Arabien betrifft. «Bereits 1936 wurden die olympischen Spiele in Berlin dazu benutzt, ein strahlendes Bild des Dritten Reiches nach aussen zu tragen», sagt Steven Cook, Nahost-Experte bei der Denkfabrik Council on Foreign Relations in Washington. «Auch die USA werden die Weltaufmerksamkeit nicht auf Guantánamo gerichtet haben wollen, wenn sie die olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles abhalten werden», sagt Cook weiter.
Insgesamt hat das Königreich in den letzten zwei Jahren gut sechs Milliarden Dollar investiert, in Fussball, Golf, Boxen, Tennis, die Formel 1, sowie in professionell betriebene Computerspiele.
Das sind die Stars der Saudi Pro League:
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Bild 1 von 10. Cristiano Ronaldo (rechts) und Karim Benzema (links) reihten bei Real Madrid einen Champions-League-Titel an den anderen. Nach seinem langjährigen Weggefährten wechselt auch der Franzose nach Saudi-Arabien. In ihrem Gefolge zieht es nun weitere europäische Stars in die Saudi Pro League. Bildquelle: Getty Images/Matthew Ashton.
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Bild 2 von 10. Auch Neymar kickt künftig in Saudi-Arabien: Der teuerste Spieler der Welt verlässt Paris Saint-Germain nach sechs Jahren und wechselt zu Al-Hilal in die Hauptstadt Riad. Dort wird der Brasilianer rund 100 Millionen Euro pro Jahr verdienen. Bildquelle: Keystone/EPA/Christophe Petit Tesson.
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Bild 3 von 10. Sergej Milinković-Savić kehrt Europa den Rücken zu: Seit Jahren wurde der hochbegabte Mittelfeld-Motor von Lazio Rom mit Topclubs in Verbindung gebracht. Nun wechselt der serbische Nationalspieler im besten Fussballalter von 28 zu Al-Hilal. Bildquelle: Keystone/EPA/Angelo Carconi.
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Bild 4 von 10. Auch den portugiesischen Nationalspieler Ruben Neves zieht es in relativ jungen Jahren nach Saudi-Arabien. Beim englischen Mittelfeld-Club Wolverhampton stieg der heute 26-Jährige zu einem der besten Mittelfeldspieler der Premier League auf. Nach Spekulationen über einen Transfer zu Barcelona wechselte er stattdessen zu Al-Hilal. Bildquelle: Keystone/AP/Francisco Seco.
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Bild 5 von 10. Jordan Henderson spielt künftig bei Al-Ettifaq, das von Liverpool-Legende Steven Gerrard trainiert wird. Sein langjähriger Trainer Jürgen Klopp (rechts) bedauert den Abgang. «Es ist traurig, absolut seltsam, weil er der einzige Kapitän ist, den ich in Liverpool hatte. Aber so ist der Fussball.». Bildquelle: Keystone/EPA/Ronald Witteck.
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Bild 6 von 10. Mit gewaltigen Ambitionen wechselte der senegalesische Stürmerstar Sadio Mané letztes Jahr von Liverpool nach Bayern München. Nach einer durchzogenen Saison samt hartnäckiger Verletzung und einer Ohrfeige für einen Mitspieler heuert er nun beim Ronaldo-Club Al-Nassr an. Bildquelle: Keystone/DPA/Sven Hoppe.
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Bild 7 von 10. Der brasilianische Offensivspieler Roberto Firmino gewann mit Liverpool die Champions League und die englische Meisterschaft. Damit schoss er sich in die Ahnengalerie des legendären Clubs. Nun lässt er seine Karriere bei Al-Ahli ausklingen. Bildquelle: Keystone/AP/Scott Heppel.
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Bild 8 von 10. Marco Verratti (30) wechselt nach elf Jahren von Paris Saint-Germain zu Al-Hilal. Der Italiener gilt als begnadeter Fussballer und war jahrelang das Metronom des französischen Hauptstadtclubs, der international höchste Ambitionen verfolgt. Bildquelle: Keystone/EPA/Sebastien Nogier.
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Bild 9 von 10. Mit Riyad Mahrez (32) verlässt ein weiterer Star die englische Premier League. Der Algerier wechselt von Champions-League-Sieger Manchester City zu Al-Ahly. Bildquelle: Keystone/EPA/Antonio Calanni.
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Bild 10 von 10. Einen weiteren prominenten Neuzugang hat Anfang Juni der saudische Meister Al-Ittihad verkündet: Der Club verpflichtet N’Golo Kanté (32) von Chelsea. Der französische Weltmeister von 2018 soll umgerechnet 100 Millionen Franken im Jahr verdienen. Bildquelle: Keystone/AP/Kirsty Wigglesworth.
Sechs Milliarden Dollar, allein um von seinen Menschenrechtsverletzungen abzulenken? Kaum!
Sport für den Machterhalt im Innern
«Der Haupttreiber hinter diesen Investitionen ist der radikale Umbau der Wirtschaft und der Gesellschaft Saudi-Arabiens, wie es Kronprinz Mohammed Bin Salman in seiner Vision 2030 vorgegeben hat», sagt Nahost-Experte Cook. Hin zu einer modernen Gesellschaft, ohne aber das absolut herrschende Königshaus zu kippen.
Die Sport-Investitionen sind eine Art Betäubung für die Jugend.
Der Kronprinz sei ein Top-down-Reformer, kein Liberaler, sagt Cook. Heisst, dass Mohammed Bin Salman ein Auge darauf hält, dass er den Modernisierungsprozess in Saudi-Arabien antreibt und niemand anderes. So sichert sich Mohammed bin Salman den Zuspruch in der vorwiegend jungen Bevölkerung des Landes. 60 Prozent sind unter 40 Jahre alt.
Sie gilt es zufriedenzustellen, sodass nicht andere Forderungen auftauchen. Forderungen für mehr Mitsprache, persönliche Freiheiten und Rechte können die autokratischen Herrscher nicht erfüllen. «Die Reformprozesse und die Investitionen in den Sport sind eine Art Betäubung für die Jugend», sagt Sean Yom, Professor an der Tempel-Universität in Philadelphia.
Ein neues Bild von Saudi-Arabien im Ausland
Und dennoch, Saudi-Arabien versucht durch den Sport auch sein Bild im Ausland aufzupolieren. Etwa durch den Kauf von englischen Fussballklubs, das Abhalten von Formel-1-Rennen oder durch den Einstieg in den grössten Golfverband der USA. Da spiele «Sportswashing» zweifellos eine Rolle, sagt Sean Yom. Er macht aber ein paar Vorbehalte: «Saudi-Arabien spielt nicht nur im Sport international eine immer wichtigere Rolle, sondern auch in der Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und nicht zuletzt in der Diplomatie.»
Diplomatie und Sport sind zwei Seiten der selben Medallie.
Erst kürzlich hat Saudi-Arabien eine internationale Konferenz zum Krieg in der Ukraine abgehalten. «Dies ist Teil derselben Strategie», sagt Steven Cook vom Council on Foreign Relations.
Saudi-Arabien konnte sich dadurch als internationaler Verhandlungsführer präsentieren und das in einem Konflikt, der noch nicht einmal in der Region verankert ist. Das genau sei die Absicht Saudi-Arabiens, sag Sean Yom: «Es will nicht als regionale Macht verstanden werden, sondern als globaler Player, der im Nahen Osten verankert ist.»
Saudi-Arabien geht es also weniger um das Vertuschen der Menschenrechtsverletzungen, als darum, sich im In- und Ausland als neue Macht zu präsentieren, die auch nach dem Versickern der Ölquellen relevant bleiben soll.