In der chinesischen Stadt Wuhan nahm die Epidemie des neuartigen Coronavirus seinen Anfang. Mittlerweile gleicht Wuhan einer Geisterstadt. Schweizer in der Region wurden angefragt, ob sie in die Schweiz zurückkehren wollen. Fast alle nahmen das Angebot an, ausgeflogen zu werden. Nur einer nicht: der gebürtige Genfer Emmanuel Geebelen. Er harrt mit seiner chinesischen Frau und den zwei Kindern aus – mittlerweile dürfen sie die Wohnung nicht mehr verlassen. Er sagt jedoch, er bleibe optimistisch.
SRF News: Wie erleben sie die aktuelle Situation in Wuhan?
Wir sind jetzt seit einem Monat zu Hause eingeschlossen. Ich bin der Einzige von uns, der zu Beginn ab und zu draussen war, um einzukaufen. Seit einer Woche geht das nicht mehr. Man darf nur noch den Abfall rausbringen. Mittlerweile müssen wir uns anders organisieren.
Wie kommen Sie an Lebensmittel, wenn sie nicht mehr einkaufen gehen können?
Zunächst gab es Gruppenchats auf dem chinesischen Messenger-Dienst «WeChat». Da konnte man Lebensmittel bestellen und innert zwei bis drei Tagen wurden diese geliefert.
Man kann nur noch alle fünf Tage etwas bestellen – man muss sich schon gut organisieren.
Nun kann man noch alle fünf Tage etwas bestellen – Man muss sich schon gut organisieren. Die Verwaltung unserer Liegenschaft hat angekündigt, einen kleinen Laden im Gebäude aufzumachen, wo man zum Beispiel Gemüse kaufen kann.
Wie sieht ein normaler Tag für Sie in Wuhan aus?
Ich stehe wie gewohnt um 05:30 Uhr auf und bereite das Frühstück vor. Meine Frau ist momentan sehr damit beschäftigt, eine neue Arbeit zu finden. Ich kümmere mich um die Kinder. Das ist schwierig, wenn man nicht hinaus kann.
Ich kümmere mich um die Kinder. Das ist schwierig, wenn man nicht hinaus kann.
Wenn die Kleinen schlafen, dann versuchen meine Frau und ich noch einen Moment für uns zu haben und den Tag zu besprechen. Nach 22 Uhr gehen wir ins Bett.
Haben Sie Freunde, die mit dem Coronavirus infiziert sind?
Nein, aber mittlerweile kennt hier jeder jemanden, der nahe an einer betroffenen Wohnung wohnt. Hier in unserem Komplex ist die Ambulanz schon drei oder viermal vorgefahren, um jemanden abzuholen, es gab also schon Fälle hier.
Haben Sie keine Angst, sich anzustecken?
Angst ändert nichts. Wenn ich zu Hause bleibe, kann ich mich auch fast nicht anstecken. Jeder hier ist in Quarantäne, jeder wird überwacht. In gewissem Sinne hätte ich wohl momentan in Europa mehr Fragen als in China.
Was denken Sie darüber, wenn Sie hören, dass das Coronavirus in Europa und der Schweiz angekommen ist?
Das liess sich wohl nicht vermeiden. Ich hoffe, dass die Massnahmen der Behörden greifen und dass die Leute auch alles tun, um eine Ausbreitung zu verhindern. Hier in China ist es normal dank Online-Shopping daheim zu bleiben. In der Schweiz geht jeder einkaufen, das System ist nicht vergleichbar. Ich hoffe, das Virus kann schnell eingedämmt werden.
Es gab Flüge für Schweizer, die aus China heimkommen wollten. Warum waren Sie da nicht dabei?
Wir leben in China, meine Frau ist Chinesin, unser Umfeld ist chinesisch. Es gab schlicht keinen Grund, in die Schweiz zurückzukehren. Die Kinder sind zudem Chinesen und haben kein Visum. Wir haben auch nie daran gedacht. Die Wirtschaft hier dürfte sich schnell erholen. Wir wissen allerdings nicht, wie lange wir blockiert bleiben.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie daran denken, dass sie noch lange feststecken könnten?
Wir bleiben optimistisch. Wir tun alles, was wir können, um ein neues Einkommen zu finden. Aber eben – wir wissen nicht, wann es so weit ist. Das Geld wird irgendwann zum Problem. Aber auch wenn alles schiefgehen sollte, die Leute lassen einem nicht allein. Es gibt in China immer eine Lösung.
Das Interview führte Claudia Stahel.
Sendebezug: «Tagesschau», 28.2., 19.30 Uhr