Die Welt von Präsident Donald Trump besteht hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten – mit ihm selber im Zentrum. Von internationaler Zusammenarbeit hält er wenig. Aus der UNO-Klimapolitik nahmen sich die USA mit der Kündigung des Pariser Klimaabkommens selbst heraus.
Dem Atomabkommen mit dem Iran kehrten sie den Rücken. Den UNO-Menschenrechtsrat haben sie verlassen. Beim Palästinenserhilfswerk UNRWA kürzten sie die Beiträge massiv und verloren damit auch an Einfluss.
Verblüfft mussten die USA zusehen, wie China den Chefposten bei der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), eine der wichtigsten in der Entwicklungspolitik, eroberte. Die Folge: Die USA als Geburtshelferin der UNO anno 1945 und als jahrzehntelang dominierende Macht verlieren in der Weltorganisation gewaltig an Gewicht. Washington schwächt sich also selber.
Gleichzeitig mit dem US-Rückzug habe China seine Präsenz in der UNO deutlich erhöht, sagt Richard Gowan, Direktor des New Yorker Büros der International Crisis Group und langjähriger UNO-Fachmann.
China mit Kandidaten für Spitzenposten
Die Machtbalance verschiebe sich zugunsten Pekings. Zwar verhält sich China im Sicherheitsrat noch zurückhaltend und versteckt sich oft hinter dem forscher anti-westlich auftretenden Russland. Aber in Entwicklungsorganisationen ist es überaus präsent: Peking bringt systematisch eigene oder ihm nahestehende Kandidaten für UNO-Spitzenposten in Stellung. Und im Menschenrechtsrat in Genf setzt es sich entschieden und erfolgreich ein – und zwar gegen die Menschenrechte.
Und China kämpft nicht allein. Früher waren es die USA, die es schafften, ihr Gewicht in der Welt zu vergrössern – und zwar weit über ihre Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft und Militärmacht hinaus. Sie taten das, indem sie nicht zuletzt in der UNO sehr viele Verbündete um sich scharten.
Genau das praktiziert heute China. Es kontrolliere, so Gowan, de facto das Stimmverhalten von vier Dutzend Staaten, vor allem von Drittweltländern. Kommt hinzu, dass die USA am UNO-Sitz mit einer Botschafterin, Kelly Craft, vertreten sind, die sich zwar redlich Mühe gebe. In Washingtons Machtzirkel verfüge sie jedoch über keinerlei Gewicht. Anders als frühere UNO-Botschafter der USA ist sie auch nicht Mitglied der Regierung.
Inzwischen stört selbst die UNO-Skeptiker in Trumps Umfeld, wie sehr die USA Macht und Gewicht an China verloren haben. Das soll nun Mark Lambert ändern, bisheriger US-Beauftragter für Nordkorea. Er ist der erste US-Sonderbeauftragte mit der Aufgabe, den chinesischen Einfluss innerhalb der UNO zu kontern. Richard Gowan hält das für eine Verlegenheitslösung.
Trumps Wiederwahl im Interesse Russlands
Erfolgversprechender wäre es, wenn die USA die UNO wieder ernst nähmen. Mit einem solchen Kurswechsel sei aber nur zu rechnen, sollten im Herbst die Demokraten die US-Wahlen gewinnen, so Gowan. Doch bei der derzeit weitaus wahrscheinlicheren Wiederwahl Trumps scheint das ausgeschlossen.
Das freut die Gegner der westlich-liberalen Weltordnung wie Russland. Und erst recht China, das am meisten vom US-Desinteresse an der UNO profitiert.
Rendez-vous, 05.02.2020, 12:30 Uhr