Grönland will unabhängiger von Dänemark werden. Das zeichnet sich nach den Wahlen auf der grössten Insel der Erde ab. Der Wahlsieg der bisherigen Opposition könnte auch weitreichende Folgen für die Rohstoffpolitik Grönlands haben, wie SRF-Nordeuropamitarbeiter Bruno Kaufmann sagt.
SRF News: Welchen Weg wird Grönland künftig bei der Rohstoffpolitik gehen?
Bruno Kaufmann: Grönland ist ein riesiges Gebiet in der Arktis mit vielen Rohstoffen unter dem Meer, aber auch im Boden. So werden dort die weltweit grössten Vorkommen an Seltenen Erden vermutet. Diese werden für Windkraftanlagen, Elektromobile oder Smartphones benötigt.
Grönland wird die Schürfrechte nicht einfach dem Meistbietenden verkaufen.
Es ist davon auszugehen, dass die Grönländer künftig noch vorsichtiger abwägen werden, wie sie damit umgehen wollen – und die Schürfrechte sicher nicht einfach dem Meistbietenden verkaufen.
Die letzte Regierung zerbrach an einem grossen Minenprojekt. Was wird jetzt daraus?
Da wird jetzt sicher ein Marschhalt eingelegt. Es geht dabei um ein Seltene-Erden-Projekt im Süden Grönlands. Vor allem China interessiert sich dafür, dieses Bergwerk zu bauen. Allerdings gibt es dort auch viel natürlich vorkommendes Uran, das bei den Bewohnerinnen und Bewohnern grosse Ängste auslöste.
Wofür steht die Wahlsiegerin «Inuit Ataqatigiit» – abgesehen von der Rohstoffpolitik?
Sie setzt sich für eine staatliche Unabhängigkeit Grönlands ein – wobei Dänemark schon jetzt bloss noch bei der Aussenpolitik mitredet. Jetzt geht es darum, wie man den Weg hin zur vollständigen Unabhängigkeit gehen und wie dies finanziert werden kann.
Die Wahlsieger wollen eine lokalere, aber auch eine globalere Politik betreiben.
Die bisher sozialdemokratische Regierung hatte starke Verbindungen zur ehemaligen Kolonialmacht Dänemark – doch die neuen Politiker der Inuit-Volkspartei haben eher in Kanada oder den USA studiert. Sie wollen einerseits eine lokalere, aber auch eine globalere Politik betreiben.
Ein Dauerthema in Grönland ist der Fischfang. Worum geht es da?
Der Fisch ist für die Grönländer nicht nur als Exportprodukt wichtig, sondern auch für die lokale Bevölkerung. In vielen Ortschaften entlang der zehntausende Kilometer langen Küste leben viele Menschen in den kleinen Orten immer noch vom Fischfang. Entsprechend will die Inuit-Volkspartei verstärkt auf den Küstenfischfang setzen und weniger auf die grossen Trawler, die wiederum oftmals von ausländischen Interessen geleitet werden.
Was bedeutet das Wahlergebnis also für die Grönländerinnen und Grönländer?
Das Ergebnis ist wichtig, weil es auch in die Zukunft zeigt. Jene Parteien, die weiterhin auf eine starke Partnerschaft mit Dänemark setzen, haben stark an Wählergunst eingebüsst. Dazu gehören auch liberale Parteien.
Grönland könnte in fünf oder zehn Jahren ein unabhängiger Staat sein.
Die Unabhängigkeitsbefürworter verfügen künftig über eine Zweidrittelsmehrheit. Es ist durchaus möglich, dass Grönland in fünf oder zehn Jahren ein völlig unabhängiger Staat sein wird – zumal auch die Erarbeitung einer neuen Verfassung im Gange ist.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.