- Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot sind vom syrischen De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa empfangen worden.
- Der Anführer der islamistischen Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) begrüsste die angereisten EU-Aussenminister im früheren Palast des vor gestürzten Langzeit-Machthabers Baschar al-Assad in Damaskus.
- Baerbock und Barrot reisen im Auftrag von EU-Aussenbeauftragten Kaja Kallas.
- Zudem haben sie das berüchtigte Foltergefängnis Saidnaja besichtigt.
Al-Scharaa empfing Baerbock und Barrot am Eingang zum Palast am Anfang eines langen roten Teppichs. Während der Islamist wie bei der Begegnung mit Frauen für ihn üblich, Baerbock nicht per Handschlag begrüsste, streckte er Barrot die Hand entgegen. Nachdem der Franzose zunächst zur Begrüssung seine rechte Hand auf die Herzgegend gelegt hatte, ergriff er dann doch kurz die Hand Al-Scharaas.
«Ein politischer Neuanfang zwischen Europa und Syrien, zwischen Deutschland und Syrien ist möglich», erklärte Baerbock zum Besuch in Damaskus. Sie komme mit Barrot und im Namen der EU «mit dieser ausgestreckten Hand, aber auch mit klaren Erwartungen an die neuen Machthaber» in die syrische Hauptstadt, so Baerbock.
EU fordert Schutz von Frauen und Minderheiten
«Den Neuanfang kann es nur geben, wenn die neue syrische Gesellschaft allen Syrerinnen und Syrern, Frauen wie Männern, gleich welcher ethnischen oder religiösen Gruppe, einen Platz im politischen Prozess einräumt, Rechte gewährt und Schutz bietet», verlangte Baerbock. Diese Rechte müssten gewahrt werden und dürften «nicht möglicherweise durch zu lange Fristen bis zu Wahlen oder auch Schritte zur Islamisierung des Justiz- oder Bildungssystems unterlaufen werden».
Wir werden die HTS weiter an ihren Taten messen.
«Wir wissen, wo die HTS ideologisch herkommt, was sie in der Vergangenheit getan hat», sagte Baerbock. Man sehe aber auch den Wunsch nach Mässigung und Verständigung mit anderen wichtigen Akteuren. So sei die Aufnahme von Gesprächen mit den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) ein wichtiges Zeichen in diese Richtung.
Angesichts dessen sagte Baerbock: «Wir werden die HTS weiter an ihren Taten messen. Bei aller Skepsis dürfen wir jetzt nicht die Chance verstreichen lassen, die Menschen in Syrien an diesem wichtigen Scheideweg zu unterstützen.»
Deutschland setze sich zudem dafür ein, dass der innersyrische Prozess nicht von aussen gestört werde, erklärte die deutsche Aussenministerin. Dazu gehöre auch die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität durch alle Nachbarstaaten, ergänzte sie offensichtlich mit Blick auf die Türkei und Israel.
HTS-Anführer Al-Scharaa hatte sich von Al-Kaida losgesagt Al-Scharaa war früher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani bekannt. Die Gruppe HTS ging aus der Al-Nusra-Front hervor, einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Al-Scharaa hatte sich von Al-Kaida und der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) losgesagt. Bis heute gibt es aber Berichte, denen zufolge die HTS-Führung den Kontakt zu Al-Kaida hält.