Die Abtreibungsfrage treibt Amerika um. In Michigan, Kalifornien und Vermont haben die Wählerinnen und Wähler dafür gestimmt, das Recht auf Abtreibung in ihrer der Verfassung zu verankern. Für eine Überraschung sorgte der Ausgang eines Referendums in Kentucky: In dem konservativ geprägten Bundesstaat entschieden die Wählerinnen und Wähler zugunsten der Abtreibungsbefürworter und lehnten einen Antrag auf ein umfassendes Abtreibungsverbot ab. USA-Expertin Claudia Brühwiler ordnet die Ergebnisse ein.
SRF News: Überrascht Sie, dass in so vielen Bundesstaaten die Frauen in ihren Abtreibungsrechten gestärkt wurden?
Claudia Brühwiler: In Kalifornien und Michigan überrascht das nicht. Bei Kentucky müssen wir ein bisschen differenzieren: Da wurde nicht das Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufgenommen, man hat vielmehr ein klares Verbot von Abtreibung abgelehnt. Damit hat man den Weg geöffnet, dass der Supreme Court des Staates überprüfen kann, ob es in der Verfassung Kentuckys vielleicht doch ein Recht auf Abtreibung gibt. Das überrascht insofern, weil es in Kentucky eine starke Lobby gegen Abtreibung gibt. Aber wir wissen auch, dass die Wähler auch hier eigentlich differenzierter sind. Es gäbe in den USA insgesamt eigentlich eine Mehrheit für eine Art Fristenlösung.
Es gibt in der Frage einen Flickenteppich an Meinungen.
Wie wichtig war die Abtreibungsfrage für die Zwischenwahlen?
Sie war wichtiger, als man aufgrund der Umfragen im Vorfeld vermuten konnte. Drei von zehn Personen haben gemäss Nachwahlbefragungen gesagt, dass ihnen das Thema Abtreibung sehr wichtig gewesen sei. Vier von zehn meinten, sie seien nach wie vor wütend über den Supreme-Court-Entscheid. Allerdings muss man auch relativieren, da die Frage nicht in allen Staaten matchentscheidend war. Nach wie vor ist die Wirtschaftslage wesentlich wichtiger.
Politisieren die Republikaner in der Abtreibungsfrage an ihrer Basis vorbei?
Das kommt auf den Kontext an. Wir wissen, dass in vielen der Staaten, wo die stärksten Einschränkungen zum Zugang auf Abtreibung bestehen, dies durchaus auch dem Wählerwillen entspricht. Ein Beispiel dafür ist Texas, das mit dem sogenannten Heartbeat Law ein sehr striktes Abtreibungsrecht kennt. Nach diesem darf nicht mehr abgetrieben werden, wenn der Herzton eines Ungeborenen erkennbar ist. Und Umfragen haben ergeben, dass die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Texas das durchaus stützen. Es gibt also auch einen Flickenteppich an Meinungen. Und das wird nun zur Folge haben, dass wir auch einen Flickenteppich an Regelungen in den ganzen USA haben werden; von sehr liberalen Gesetzgebungen wie eben in Kalifornien bis zum Gegenteil.
Das Thema hat dennoch stark mobilisiert. Wurden die Abtreibungsgegner auf dem falschen Fuss erwischt?
In Kalifornien, Vermont und Michigan sind sie sicher nicht überrascht über den Ausgang der Abstimmungen. In Kentucky wurden sie auf dem falschen Fuss erwischt. Sie behaupten auch, es seien zu viele Falschinformationen gestreut worden von den Abtreibungsbefürwortern. Es wird sicher beide Seiten befeuern: Einerseits Organisationen wie Planned Parenthood, die für Abtreibungsrechte sind und auch die entsprechenden medizinischen Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die nun erst recht in vielen Staaten dann solche Initiativen werden initiieren wollen. Aber auch die Gegner werden sich über überlegen müssen, wie sie ihre Kampagnen fortan fahren. Aber wie gesagt: Das Meinungsbild in den Bundesstaaten ist sehr unterschiedlich.
Das Gespräch führte Claudia Weber.