4:30 Uhr auf Lampedusa. In der Zentrale der NGO Sea-Watch bereitet sich das Team auf einen Aufklärungsflug vor. In der Nacht haben sie eine Nachricht erhalten, dass sich ein Boot mit Migrantinnen und Migranten rund 80 Seemeilen vor Lampedusa befinden soll. Dieses wollen sie finden – es soll schlechtes Wetter geben.
Rettung auf See und aus der Luft
2015 wurde die NGO Sea-Watch gegründet. Seit dann setzt sie sich unter anderem für die Rettung von Migrantinnen und Migranten auf dem Mittelmeer ein – im Wasser, aber auch aus der Luft. Die Aufklärungsflüge macht Sea-Watch in Zusammenarbeit mit der «Humanitarian Pilots Initiative», einer Schweizer Organisation, die die Piloten für die Aufklärungsflüge stellt.
Nach Stunden in der Luft sichtet die Crew ein Schlauchboot mit etwa 70 Migranten an Boot. Der Motor scheint defekt zu sein und die Menschen haben keine Rettungswesten. Das Team von Sea-Watch versucht, Hilfe zu organisieren.
Nach Italien reist man nur legal ein. Wir überlassen die Steuerung der Migrationsströme in unser Land nicht Kriminellen und Schmugglern.
Die Arbeit der privaten Seenotretter ist umstritten. Der Regierung von Giorgia Meloni sind sie ein Dorn im Auge. Meloni ist mit dem Versprechen angetreten, die «irreguläre Migration» über das Mittelmeer nach Italien einzudämmen. Und sie richtet ihren Kampf auch gegen die privaten Seenotretter – welche sie auch schon als «Taxis des Meeres» bezeichnete. «Nach Italien reist man nur legal ein. Wir überlassen die Steuerung der Migrationsströme in unser Land nicht Kriminellen und Schmugglern», sagt Meloni.
2023 erliess die Regierung ein Gesetzesdekret, das die NGO-Schiffe nach nur einem Rettungseinsatz verpflichtet, sofort zurück an Land zu fahren. Oftmals werden ihnen Häfen im Norden Italiens zum Anlegen zugewiesen. Das bedeutet zusätzliche Hin- und Rückfahrtstage. Wer sich nicht daran hält, muss mit hohen Bussen oder der Festsetzung des Schiffes rechnen.
Private Aufklärungsflüge im Fokus
Seit wenigen Wochen sind nun auch die Flugzeuge der NGOs im Fokus: Die italienische Zivilluftfahrtbehörde hat eine Verordnung erlassen, die private Aufklärungsflüge verbietet. Sie würden stören und unter anderem die Sicherheit der Migranten gefährden. Fabio Zgraggen von der «Humanitarian Pilots Initiative» wehrt sich gegen diese Sichtweise: «Ich sehe nicht, was wir stören sollten. Was stört, ist, dass keine Rettungskräfte vor Ort sind. Wir stehen hier ein für etwas, das eigentlich eine staatliche Aufgabe ist. Wenn da kein Wille vorhanden ist, Menschen in Seenot zu retten, dann springen wir als private Seentoretter ein.»
Zurück zum Aufklärungsflug von Sea-Watch: Die Crew im Flugzeug sichtet plötzlich ein Schnellboot. Es ist das Boot der libyschen Küstenwache. Diese holt die Migranten an Bord ihres Schnellbootes. Die Crew der Sea-Watch dokumentiert mit Fotos, was passiert. «Unsere Erfahrung ist, dass die Menschen von der Küstenwache zurück nach Libyen gebracht werden und dann in Haftlager kommen. Also man kann das eigentlich auch als Folterlager bezeichnen – aufgrund der Berichte, die wir aus Libyen haben,» sagt Jakob Frühmann, Einsatzleiter Luftteam, Sea-Watch.
Hier endet der Einsatz von Sea-Watch. Die Crew fliegt zurück nach Lampedusa – das schlechte Wetter ist bereits im Anmarsch.