In Burma sind die De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und weitere hochrangige Mitglieder der Regierungspartei vom Militär festgesetzt worden.
Nach der Machtübernahme wurde nun die Regierung neu zusammengestellt.
Das elfköpfige Kabinett besteht nur noch aus Generälen, ehemaligen hochrangigen Soldaten und Politikern einer vom Militär gestützten Partei.
Die Streitkräfte hatten am Montag einen einjährigen Ausnahmezustand über das südostasiatische Land mit seinen knapp 54 Millionen Einwohnern verhängt. Die Flughäfen wurden gesperrt. Berichte über Gewalt gab es bislang aber nicht. Der frühere Armeechef General Min Aung Hlaing – schon lange ein Gegenspieler Suu Kyis – hat die oberste Befehlsgewalt übernommen. Das Militär war in Burma bereits fast ein halbes Jahrhundert an der Macht.
Auf den Strassen der Hauptstadt Naypyidaw und der grössten Stadt Yangon (Rangun) patrouillieren Soldaten. Telefonleitungen und das Internet in Naypyidaw sind Berichten zufolge gekappt. Berichte über gewaltsame Zwischenfälle gibt es derzeit nicht. Die Regierungspartei und Suu Kyi rufen derweil zu Protesten auf.
Suu Kyi: «Öffentlichkeit soll sich gegen Putsch wehren»
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Myanmars festgesetzte faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat in einer Erklärung die Bevölkerung aufgefordert, den Militärputsch im Land nicht hinzunehmen. Ihre Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) veröffentlichte das einseitige Schriftstück mit Aussagen der Friedensnobelpreisträgerin am Montag auf Facebook.
Die Machtübernahme der Armee zeige keinerlei Respekt für die Corona-Pandemie und ziele nur darauf ab, das Land wieder unter eine Militärdiktatur zu stellen, hiess es. «Die Öffentlichkeit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärputsch voll und ganz zu widersetzen und sich entschieden dagegen zu wehren.»
Spannungen nach Wahlsieg von Suu Kyi
Suu Kyi hatte sich bei der jüngsten Parlamentswahl im November eine zweite Amtszeit gesichert. Ihre Partei holte nach offiziellen Angaben die absolute Mehrheit, die Wahlbeteiligung lag über 70 Prozent. Das Militär weigerte sich jedoch, das Ergebnis anzuerkennen und stellt sich auf den Standpunkt, die Wahlen hätten wegen der Pandemie nicht stattfinden dürfen.
Legende:
Soldaten sind nach dem Militärputsch in Burmas grösster Stadt Yangon (Rangun) zu sehen.
Keystone
UNO-Generalsekretär António Guterres verurteilt die Übernahme der Macht und die Aufhebung der Gewaltenteilung durch das Militär: «Diese Entwicklungen bedeuten einen schweren Schlag für die demokratischen Reformen in Myanmar». Die NLD habe bei der Wahl ein «starkes Mandat» des Volkes in Burma bekommen.
Cassis fordert sofortige Wiederaufnahme des Dialogs
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Legende:
twitter
Die Schweiz hat die burmesische Armee aufgefordert, ihre Aktionen unverzüglich zu stoppen. Das Aussendepartement EDA forderte zudem die Freilassung aller Regierungsmitglieder und Leiter der Zivilgesellschaft.
Die Schweiz sei zutiefst besorgt über die Machtergreifung des Militärs in Myanmar, heisst es in einer Medienmitteilung des EDA. Die Schweiz habe den demokratischen Übergang in Myanmar von Anfang an aktiv unterstützt und spreche sich gegen jeden Versuch aus, das Ergebnis der Wahlen vom November 2020 zu verfälschen.
Ferner fordert die Schweiz die sofortige Wiederaufnahme des Dialogs und des demokratischen Prozesses, der zu mehr Freiheit, Frieden, Achtung der Menschenrechte und Entwicklung im Lande führe.
Aussenminister Ignazio Cassis verlangte zudem in einem Tweet die Freilassung aller Festgesetzten und die sofortige Wiederaufnahme des Dialogs.
Auch die USA und viele anderen Staaten verurteilen den Putsch scharf. EU-Ratspräsident Charles Michel etwa fordert die Freilassung aller Festgesetzten: «Das Ergebnis der Wahlen muss respektiert und demokratische Prozesse müssen wiederhergestellt werden.»
Die EU droht auch mit Konsequenzen: «Wir stehen mit unseren internationalen Partnern (...) in Kontakt, um eine koordinierte Reaktion zu gewährleisten», erklärt der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell.
Suu Kyi war auf Militär angewiesen
Auch nach der Wahl blieb Suu Kyi auf das Militär angewiesen. Ein Viertel der Sitze in den Parlamentskammern blieb für die Streitkräfte reserviert. So steht es in der Verfassung von 2008, welche die Junta aufgesetzt hatte, um nicht ganz entmachtet zu werden.
Legende:
Soldaten und die Polizei blockieren die Strasse zum Parlament in Naypyidaw.
Keystone
Wegen einer anderen Klausel konnte Suu Kyi nicht Präsidentin werden, sondern regierte Burma als Staatsrätin und somit als De-Facto-Regierungschefin. Ohne das Militär sind auch Verfassungsänderungen nicht möglich, zudem kontrollierte es bislang schon die wichtigsten Ministerien.
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Mit dem Putsch droht ein abruptes Ende der Demokratisierung in Burma
01:35 min, aus HeuteMorgen vom 01.02.2021.
Bild: Keystone/Archiv
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Suu Kyi ist international umstritten
Nach einem Putsch im Jahr 1962 stand das Land fast ein halbes Jahrhundert lang unter einer Militärherrschaft. Suu Kyi setzte sich in den 1980er-Jahren für einen gewaltlosen Demokratisierungsprozess ein und wurde deshalb 15 Jahre unter Hausarrest gestellt. 1991 erhielt sie für ihren Einsatz den Friedensnobelpreis.
Das Leben von Aung San Suu Kyi in Bildern
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Aung San Suu Kyi mit ihren Eltern 1947: Geboren wurde sie 1945 in Rangun, Britisch-Birma (Burma). Trotz 15 Jahre Hausarrest unter der Militärjunta sagt sie: «Ich mag die Armee.» Ihre Zuneigung liegt in ihrer Geschichte: Ihr Vater, General Aung San, gilt als der Gründer der burmesischen Armee. Für den Vater seien die Soldaten wie Söhne gewesen.
Keystone
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Suu Kyis Vater, General Aung San, wird bis heute in Burma als Nationalheld verehrt, der das Land in die Unabhängigkeit führte. Aung San wurde zwei Jahre nach der Geburt seiner Tochter 1947 während einer Kabinettssitzung ermordet. Verantwortlich für das Attentat waren politische Widersacher.
Wikipedia
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Die kleine Aung San Suu Kyi 1948 (links im Bild) mit Lord Louis Mountbatten, Gouverneur von Indien, und seine Ehefrau Edwina: Suu Kyi wuchs in Indien auf. Ihre Mutter war die erste weibliche Botschafterin Burmas und war zu der Zeit in Indien stationiert.
Keystone
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Nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi ging Aung San Suu Kyi nach England. Dort studierte sie an der Universität Oxford. 1967 schloss sie ihr Studium mit einem Bachelor in Philosophie, Politik und Wirtschaft ab. Im Bild: Aung San Suu Kyi, im Alter von sechs Jahren (1951).
Wikipedia
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1972 heiratete Suu Kyi den britischen Tibetologen Michael Aris, mit dem sie zwei Söhne hat. 1974 zog das Ehepaar nach Oxford, wo Aris eine Anstellung als Professor hatte.
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1988 kehrte die 43-jährige Suu Kyi wegen ihrer kranken Mutter nach Burma zurück. Zuvor hatte sie in Indien, Grossbritannien und den USA gelebt. In Burma zurück erlebte sie blutige Aufstände und den Sturz der alten Militärjunta. Drei Wochen später folgte die nächste Militärdiktatur. Fortan setzte sie sich für die Demokratisierung Burmas ein.
Reuters
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Im September 1988 wurde die Nationale Liga für Demokratie (NLD) gegründet. Aung San Suu Kyi übernahm den Parteivorsitz.
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Die Militärregierung lehnte demokratische Bewegungen jedoch ab. Im Februar 1989 verbot sie die NLD. Im Juli wurde die 44-jährige Aung San Suu Kyi unter Hausarrest gestellt. Begründung: Die NLD-Parteivorsitzende gefährde die staatliche Sicherheit. 1990 gewann die NLD die Wahlen. Das Ergebnis wurde von den Militärmachthabern aber nicht anerkannt.
Reuters
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In ihrem Haus in Rangun verbrachte Aung San Suu Kyi ihren Hausarrest.
Reuters
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10. Dezember 1991: Michael Aris, Aung San Suu Kyis Ehemann, nimmt mit den gemeinsamen Söhnen den Friedensnobelpreis für sie in Empfang. Suu Kyi befürchtete, dass ihr die Wiedereinreise nach Burma verweigert würde, falls sie selbst nach Oslo reise. Der Preis wurde ihr «für ihren gewaltlosen Kampf für Demokratie und Menschenrechte» verliehen.
Reuters
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Am 10. Juli 1995 wurde der Hausarrest gegen Aung San Suu Kyi nach rund sechs Jahren scheinbar aufgehoben. Ihr Bewegungsspielraum blieb aber für mindestens vier weitere Jahre eingeschränkt. Journalisten und UNO-Mitglieder durften sie mehrfach besuchen. Ihren Ehemann aber sah sie bis zu seinem Tod am 27. März 1999 nicht mehr.
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Auch Ihren Sohn Kim Aris hatte sie jahrelang nicht mehr gesehen. Kim konnte seine Mutter Aung San Suu Kyi erstmals im November 2010 in Burma besuchen. Seit seinem letzten Besuch waren mehr als 10 Jahre vergangen.
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Nach etlichen Arresten und Inhaftierungen konnte Aung San Suu Kyi im April 2012 erstmals bei den Nachwahlen für einen Parlamentssitz teilnehmen. Ihre Nationale Liga für Demokratie (NLD) gewann 43 der 45 frei gewordenen Sitze. Am 2. Mai 2012 legte Suu Kyi ihren Eid als Abgeordnete ab. Seit März 2013 ist Suu Kyi wieder die Parteivorsitzende der NLD.
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Am 22. Oktober 2013 überreicht der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz Suu Kyi den Sacharow-Preis. Das Parlament hatte ihr die Auszeichnung für ihren Einsatz für die Menschenrechte im Jahr 1990 verliehen. Damals stand sie unter Hausarrest.
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8. November 2015: Aung San Suu Kyis Partei NLD gewinnt die ersten freien Wahlen in Burma seit 25 Jahren. Die 70-Jährige darf selber nicht Präsidentin werden. Das verhindert die Verfassung des Landes. In der neuen Regierung übernimmt Suu Kyi den eigens für sie geschaffenen Posten der Staatsberaterin. Zudem wird sie Aussenministerin.
Reuters
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Suu Kyi trifft im November 2018 US-Vizepräsident Mike Pence in Singapur.
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Aung San Suu Kyi bei der Stimmabgabe bei den Wahlen am 29. Oktober 2020.
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Aung San Suu Kyi besucht Ende Januar 2021 eine Impfstation in einem Spital.
Keystone
Im eigenen Land ist die Politikerin sehr beliebt. International ist die frühere Freiheitsikone mittlerweile aber wegen ihres immer autoritäreren Regierungsstils umstritten.
Einschätzung von SRF-Korrespondentin Karin Wenger
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Der Militärputsch von heute ist ein herber Schlag für ein Land, das sich erst vor wenigen Jahren demokratisch zu öffnen begann. Jetzt machen sich Verunsicherung und Angst in Burma breit, viele Menschen haben eine Art Déjà-vu: In Burma haben sich die Generäle ja mehr als einmal an die Macht geputscht und haben das Land jahrzehntelang regiert und von der Welt abgeschottet, bis es dann 2011 geöffnet wurde.
Es gab bereits vergangene Woche Gerüchte eines bevorstehenden Militärputschs. Die Armee warf der Regierung von Aung San Suu Kyi Wahlfälschung vor. Die Nationale Liga für Demokratie, die NLD, von Aung San Suu Kyi hatte die Parlamentswahlen von November haushoch gewonnen. Die NLD hat eine Mehrheit im Parlament, wobei der Armee laut Verfassung weiterhin ein Viertel der Parlamentssitze und auch wichtige Ministerposten vorbehalten sind. Aber das scheint der Armeespitze nicht mehr zu genügen. Anders kann man sich diesen Putsch von heute früh nicht erklären.
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