In Burma hat sich das Militär an die Macht geputscht. Die zivile Führung um De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde entmachtet und unter Hausarrest gestellt. Heute hätte in Burma das neugewählte Parlament erstmals zusammenkommen sollen.
Das Militär akzeptiert den klaren Sieg von Suu Kyis Partei «Nationale Liga für Demokratie» (NLD) aber nicht und spricht von Wahlbetrug. Christine Schraner Burgener ist UNO-Sonderbeauftragte für Burma. Sie fürchtet, dass sich die Demokratisierungsbemühungen im Land zerschlagen könnten.
Christine Schraner Burgener
Vorsteherin des Staatssekretariates für Migration
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Christine Schraner Burgener ist seit Anfang 2022 Vorsteherin des Staatssekretariats für Migration (SEM). Zuvor war die Diplomatin Schweizer Botschafterin in Thailand (2009-2015) und – als erste Frau auf diesem Posten – Botschafterin in Deutschland (2015-2018). Von 2018 bis 2021 amtete sie als UNO-Sondergesandte für Myanmar.
SRF News: Sie haben eine unruhige Nacht hinter sich, führen Gespräch um Gespräch. Mit wem verhandeln Sie denn momentan?
Christine Schraner-Burgener: Auf meiner Prioritätenliste steht derzeit zuoberst, dass wir die Gefangenen freibekommen. Ich muss den Kontakt zur Armee wieder herstellen. Ich hatte noch am Sonntagmorgen Kontakt mit ihr, zu dem Zeitpunkt war noch alles ruhig. Auf meine neuerlichen Kontaktversuche hat die Armee noch nicht reagiert. Ich werde es aber weiter versuchen. Natürlich bin ich auch in engem Kontakt mit UNO-Generalsekretär António Guterres in New York. Er hat ein ganz klares Statement abgegeben, dass er den Putsch aufs Schärfste verurteilt.
Hatten Sie auch die Möglichkeit, mit Mitgliedern der Regierungspartei zu sprechen, vielleicht auch persönlich mit Suu Kyi?
Das habe ich in der Nacht sofort versucht. Da schienen aber schon alle Internetverbindungen von der Armee gekappt geworden zu sein. In der Hauptstadt Naypyidaw ging gar nichts mehr und ich konnte niemanden mehr dort erreichen. Ich war froh, dass zwei meiner Mitarbeiter in Yangon sind. Mit ihnen bin ich praktisch alle fünf Minuten im Kontakt.
Was erzählen Ihnen diese Leute über die Situation im Land?
Im Moment scheint es auf den Strassen relativ ruhig zu sein. Wir befürchten ja, dass die Anhänger der NLD, die die Wahlen haushoch gewonnen hat, sich auf die Strasse begeben und protestieren. Dann könnte es dazu kommen, dass ihnen Armee, Anhänger der ihr nahestehenden Oppositionspartei USDP und radikale Buddhisten gegenüberstehen. Das muss verhindert werden, weil es zu Gewalt führen würde.
Das Militär sagt, bei den Wahlen im November sei es zu Unregelmässigkeiten gekommen: Gibt es dafür tatsächlich Hinweise oder Beweise?
Das Schlussresultat war unbestritten und korrekt, das haben auch Wahlbeobachter bestätigt. Der Armeechef war extrem enttäuscht über den Wahlausgang. Anscheinend hatte er damit gerechnet, dass die USDP die Mehrheit holen würde. Der Armeechef hat dann moniert, es habe Diskrepanzen in den Wählerlisten gegeben. Die Wahlkommission habe dazu keine genauen Antworten gegeben.
Die Situation war immer sehr schwierig für Suu Kyi. Von aussen betrachtet ist das nicht immer ganz einfach zu verstehen.
In einem Statement sprach der Armeechef nun davon, dass dies der Hauptgrund für den Putsch gewesen sei. Aufgrund der mangelhaften Erklärung zu den vermeintlichen Diskrepanzen müsse man die Wahlkommission reformieren und das Wahlresultat müsse erneut überprüft werden. Es soll nun einen Ausnahmezustand für ein Jahr geben – in diesem Jahr will der Armeechef die Wahlen nachholen lassen. Die siegreiche Partei soll dann die Macht zurückerhalten. Das ist ganz klar inakzeptabel.
Suu Kyi galt lange als Hoffnungsträgerin für eine Demokratisierung von Burma. Sie hat auch den Friedensnobelpreis erhalten. In den letzten Jahren ist sie international aber immer mehr in die Kritik geraten, weil sie sich zu wenig vom Militär distanziert haben soll – und weil sie in einem Völkermord-Verfahren in Den Haag die Genozid-Vorwürfe an den Rohingya zurückwies. Warum ist sie dem Militär in Burma nun offenbar doch zu unbequem?
Das Militär war ständig unbequem. Es hat gemäss Verfassung noch immer 25 Prozent der Parlamentssitze inne und besetzt drei der wichtigsten Ministerien. Suu Kyi hat versucht, sich an die Gesetze und die Verfassung zu halten. Hätte sie das nicht gemacht, wäre die Armee gegen sie vorgegangen. Die Situation war also immer sehr schwierig für sie. Von aussen betrachtet ist das nicht immer ganz einfach zu verstehen.
Das Leben von Aung San Suu Kyi in Bildern
Sie haben gesagt, der Militärputsch sei ein schwerer Rückschlag für die Demokratisierungsbemühungen in Burma. Was ist Ihrer Meinung nach jetzt zu befürchten?
Dass wir wieder auf Feld 1, also auf den Stand des Jahres 2011, zurückversetzt werden. Das Land hat 50 Jahre Diktatur hinter sich. Wir befürchten, dass alle Versuche, das Land zu demokratisieren, wieder zerschlagen werden. Und mit ihnen die positiven Aktionen, die seit den Wahlen stattgefunden haben. Ich war sehr hoffnungsvoll, als wir einen Waffenstillstand zwischen den Rebellen der Arakane Army und der Armee in Rakhine erreichen konnten. Damit wollten wir die Rückführung der Rohingyas ins Auge fassen. Das steht nun auch wieder in Frage.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.
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