Das Vertrauen der Italienerinnen und Italiener in ihre Ministerpräsidentin ist ungebrochen. Immer noch erreicht Giorgia Meloni bei Umfragen regelmässig über 50 Prozent Zustimmung.
Das werde sich so schnell auch nicht ändern, sagt Andrea Spiri, Professor für politische Geschichte der Gegenwart an der Universität Luiss in Rom. «Ich sehe im Moment im Lager der Opposition keine Alternative, die in irgendeiner Weise die Führung von Giorgia Meloni und ihren Einfluss auf das Land untergraben könnte.»
Meloni sitzt fest im Sattel. Nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf der internationalen Bühne. Gross waren vor neun Monaten die Befürchtungen, Italien könnte unter der neuen Regierung abdriften.
Doch Meloni gibt sich im Ausland pragmatisch, offen und setzt auf Zusammenarbeit. Am 23. Juli will sie in Rom eine internationale Migrationskonferenz abhalten, und Ende Monat fliegt sie auf Einladung von US-Präsident Joe Biden nach Washington.
Führende Rolle in der Migrationspolitik
Zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beispielsweise nimmt Giorgia Meloni auch eine führende Rolle rund um den Migrationsdeal mit Tunesien ein. Die polternde Oppositionspolitikerin von damals sei in den Hintergrund getreten, sagt Spiri.
«Ich sehe eine aussenpolitische Kontinuitätslinie zwischen der Linie der Draghi-Regierung und der Meloni-Regierung», so der Professor. «Erstens bei der transatlantischen Verbindung. Giorgia Meloni hat die Bindung zwischen den beiden Seiten des Atlantiks gestärkt. Und im Ukraine-Krieg hat sie von Anfang an die russische Aggression verurteilt.»
Meloni weiss allerdings auch, dass Italien auf die vielen Milliarden aus dem EU-Wiederaufbaufonds angewiesen ist.
Konservative Agenda umsetzen
Innenpolitisch verfolgt Meloni allerdings eine erzkonservative Agenda. Im Zuge der Justizreform beispielsweise möchte sie rechtsstaatliche Prinzipien aufweichen. So soll der Straftatbestand des Amtsmissbrauches abgeschafft werden.
Und auch bei den Bürgerrechten gibt es Abstriche. So hat die Meloni-Regierung jüngst verboten, dass gleichgeschlechtliche Eltern beide im Amtsregister stehen dürfen. Bereits gemachte Eintragungen sollen wieder rückgängig gemacht werden.
Es ist eine Politik der Rückschläge, ein Rückschritt im Vergleich zur Politik der grösseren Offenheit gegenüber den Bürgerrechten.
Meloni habe vor den Wahlen klargemacht, wie sie zu den verschiedenen Themen stehe und dafür die Zustimmung einer Mehrheit der Wählerschaft erhalten. Nun setze sie diese Agenda um, so Spiri. «Es ist eine Politik der Rückschläge, ein Rückschritt im Vergleich zur Politik der grösseren Offenheit gegenüber den Bürgerrechten.»
Fazit: Aussenpolitisch setzt Meloni auf Stabilität und Kontinuität. Innenpolitisch versucht sie ihre Agenda umzusetzen. Bei letzerem muss sie ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Positionen der Koalition und den Erwartungen der Wählerschaft finden.