Mit seinen Fernsehpredigten erreichte er Millionen Menschen in Afrika und in aller Welt. Nun zeigt eine Recherche der britischen BBC, welch verstörendes Doppelleben der evangelikale Pastor TB Joshua offenbar geführt hat: So soll er jahrzehntelang Frauen aus seiner Kirche gefangen gehalten und vergewaltigt haben.
In der Dokumentation erzählen mehrere mutmassliche Opfer, wie der Pastor sie in seinem Anwesen in der Millionenmetropole Lagos geschlagen, vergewaltigt und zu Abtreibungen gezwungen haben soll.
Der Nigerianer hat eine der Megakirchen gegründet, die im bevölkerungsreichsten Land Afrikas enormen Einfluss haben. Während seiner Karriere häufte er grossen Reichtum an; er reiste mit einem Privatjet und besass eine Flotte an Sportwagen. Der Pastor tourte durch afrikanische Länder, Südamerika, Grossbritannien und die USA.
Die Journalistin Bettina Rühl berichtet aus der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Sie hat zu Nigerias evangelikalen Kirchen recherchiert und selbst einen der «wilden, ekstatischen Gottesdienste» von TB Joshua besucht. In Nigeria gebe es nur vereinzelt Stimmen, die als Reaktion auf den BBC-Bericht eine Aufarbeitung der Ereignisse forderten. «Viele Menschen sind sehr kirchenfreundlich und halten das Ganze von sich fern.» Zudem würden solche Berichte oft als Falschmeldungen abgetan.
Die Kirche des verstorbenen Predigers weist die Vorwürfe zurück. Mit «greifbaren Folgen» müsse sie ohnehin kaum rechnen, schätzt die Journalistin. «Für alles, was mit Religion zu tun hat, gibt es grosse Nachsicht.» Zudem seien Politik und Behörden zurückhaltend, wenn es darum geht, es mit den mächtigen Freikirchen aufzunehmen.
Rettungsanker für die Armen
In der Vergangenheit gab es zwar durchaus Spannungen zwischen dem christlichen Prediger und dem Staat. So etwa während des Ebola-Ausbruchs in Westafrika von 2014, als sich die Behörden in Lagos fürchteten, Joshuas Anhänger aus den stark betroffenen Ländern Sierra Leone, Liberia und Guinea würden das Virus in die Stadt hineintragen.
Die evangelikalen Kirchen erfreuen sich in Nigeria und weit darüber hinaus grosser Beliebtheit. Ihr Aufstieg geht laut Rühl auf den Ölboom der 1970er-Jahre zurück. Für einige Wenige bedeutete dieser grossen Reichtum, doch er brachte auch massive wirtschaftliche Verwerfungen mit sich. «Mit dem Einbruch des Ölpreises auf dem Weltmarkt ab den 1980er-Jahren verarmten viele Menschen.»
Allumfassende Heilsversprechen
Die Heilsversprechen der Evangelikalen boten vielen von ihnen Halt: «Die Kirchen versprachen Hoffnung, auch wenn uns Praktiken wie die Hexerei irrational erscheinen.» Sie traten auch an die Stelle des maroden Staats, in dem es kaum Sozialleistungen gibt: «Sie versprechen, Krankheiten zu heilen, bei der Karriere und bei ganz konkreten Anliegen wie Eheproblemen zu helfen.»
Mittlerweile seien die grossen evangelikalen Kirchen in Nigeria zu «multinationalen Religionskonzernen» angewachsen – mit beträchtlichem wirtschaftlichem und politischem Einfluss. «Sie betreiben religiöse Ausbildungszentren, Spitäler, Schulen und Universitäten. Wer zu einer dieser Kirchen gehört, fühlt sich rundum abgesichert», schliesst Rühl. Gerade die Pastoren sind oft schwerreich. «Und sie schämen sich auch nicht dafür. Denn ihr Reichtum ist Ausdruck davon, dass Gott an ihrer Seite steht.»