Auch nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah gehen die Gefechte zwischen der schiitischen Miliz in Libanon und den israelischen Streitkräften weiter. Was löst das alles in Israel aus? Journalistin Gisela Dachs über ihre Eindrücke aus Tel Aviv.
SRF News: Wie ist die Stimmung in Israel angesichts der Ereignisse der letzten Tage?
Gisela Dachs: Man hat den Tod von Nasrallah mit Erleichterung aufgenommen. Man sieht es als Erfolg, dass Nasrallah tot ist. Für die Israelis war er der mächtige Chef einer vom Iran unterstützten, hochgerüsteten Terrormiliz, die das Nachbarland, den Libanon, eigentlich beherrscht. Nasrallah war ein Erzfeind, der auch keine Gelegenheit verpasst hat, zu erklären, dass er Israel von der Landkarte verschwinden lassen möchte. Und dazu hatte er auch jede Menge Waffen.
Für die israelische Armee ist die Tötung des Hisbollah-Chefs ein Erfolg. Kann auch die Regierung politisch davon profitieren?
Ja, das hängt eng zusammen. Denn das Vertrauen in die Armee und in die Sicherheitsdienste war durch das Versagen vom 7. Oktober letzten Jahres schwer angeschlagen. Nun sagt man wieder, die Armee sei durchaus in der Lage, solche Aktionen durchzuführen. Und da ist Benjamin Netanjahu: Er war sicherlich nicht besonders beliebt und ist es auch jetzt nicht. Aber er ist Teil dieses Konsenses.
Würden die Israelis nicht dauernd in die Bunker rennen bei Alarmen, gäbe es auch hier sehr viel mehr Tote.
Für die Israelis war klar, dass man nicht länger hinnehmen kann, dass die Hisbollah seit einem Jahr ununterbrochen den Norden des Landes beschiesst. Und jetzt ist etwas getan worden. Daher gibt es nun breite Unterstützung, auch für Premierminister Netanjahu.
Bei den israelischen Angriffen auf Libanon in den letzten Tagen gab es enorm viele Todesopfer. Über 1000 meldet die libanesische Regierung. Wie wird dieser hohe Blutzoll in Israel wahrgenommen?
Man findet ihn nicht gut, man nimmt ihn aber in Kauf. In Israel sagt man sich, es sei nicht leicht, eine solche Miliz zu bekämpfen, die ihre Waffen direkt und mitten unter der Bevölkerung lagere. Und es gibt im Libanon keine Schutzräume oder Alarmsysteme. Dafür habe die Hisbollah eben nicht gesorgt.
Würden die Israelis nicht dauernd in den Bunker rennen bei Alarmen, gäbe es auch hier sehr viel mehr Tote. Und: Das Grenzgebiet zu Libanon ist evakuiert. 60'000 Israelis warten auf ihre Rückkehr.
Hat man in Israel Angst vor Vergeltungsschlägen der Hisbollah?
Die Hisbollah feuert ununterbrochen weiter Raketen. Aber die Sorge ist, dass massiv gebündelte Angriffe kommen könnten – 3000 Raketen auf einmal. Da kann auch kein Abwehrsystem mehr helfen. Auch wurde der Grossraum Tel Aviv bisher kaum angegriffen. Kommt das noch oder steht die Hisbollah unter Schock? Kann sie oder will sie derzeit gar nicht so massiv zurückschlagen? Das sind Fragezeichen. Klare Warnungen gibt es auch, dass es Anschläge auf Israelis auf Reisen geben könnte.
Das Gespräch führte Rebecca Villiger.