Tausende Demonstranten haben am Mittwochmorgen das Hongkonger Parlament belagert. Sie protestierten gegen ein geplantes Gesetz, das Auslieferungen nach China vorsieht. Die Sitzung der Abgeordneten ist vorerst verschoben worden. Der Kampf ist aber noch lange nicht vorbei, sagt die Hongkonger Oppositionspolitikerin Claudia Mo im Interview.
SRF News: Was hat sich seit der Regenschirm-Revolution 2014 in Hongkong getan?
Claudia Mo: Die Bewegung endete mit einer Enttäuschung, vor allem für die Jungen. Sie waren ziemlich desillusioniert, weil die Regierung versucht hat, ihre politische Leidenschaft einzudämmen. Sie hat einen der bekanntesten Aktivisten zu sechs Jahren Haft verurteilt. Das macht den jungen Demonstranten Angst.
Wenn du kämpfst, wirst du vielleicht nicht das bekommen, was du willst. Aber wenn du nicht kämpfst, wirst du es ganz sicher nicht bekommen.
Trotzdem gingen sie gestern wieder auf die Strasse. Was ist dieses Mal anders?
Dieses Mal sind die Behörden zu weit gegangen. Carrie Lam scheint zu denken, dass sich die Hongkonger mit politischer Rhetorik hinters Licht führen lassen. All die Lügen haben die Bevölkerung verärgert. Ich habe die Verzweiflung auf den Gesichtern der Demonstranten gesehen. Und ich war sehr stolz auf unsere Jungen, aber auch traumatisiert von dem, was später passiert ist.
Sie sprechen die Ausschreitungen an, im Vergleich zu 2014 waren die Demonstrationen sehr gewalttätig.
Definitiv. Es war die Polizei, die brutaler vorging.
Was wurde mit der Demonstration erreicht?
Wegen des Protests wurde die Debatte des Legislativrats um dieses böse Gesetz abgesagt. Die Strohmänner aus Peking trauten sich nicht zum Legislativrat, weil sie Angst vor den Leuten hatten. Eine grosse Menschenmenge hat den Komplex umstellt.
Wen meinen Sie mit Strohmännern?
Das sind Parlamentarier wie ich. Aber die sind bekannt für ihre unterwürfige Art mit China zu verhandeln. Sie sind Chinas «Ja-Männer».
War das jetzt das letzte Kapitel der demokratischen Bewegung Hongkongs?
Das hoffe ich natürlich nicht. Wir müssen weiterkämpfen. Wenn du kämpfst, wirst du vielleicht nicht das bekommen, was du willst. Aber wenn du nicht kämpfst, wirst du es ganz sicher nicht bekommen. Die Jungen sprechen vom Jahr 2047. Dann läuft das Autonomieversprechen für Hongkong aus. Leute wie ich werden dann nicht mehr da sein. Es ist ihre Welt, ihre Zukunft.
Was passiert hier als nächstes?
Nicht viel. Es werden immer noch die Überreste der wüsten Szenen von gestern beseitigt. Die Strassen zum Legislativrat sind gesperrt. Vielleicht wird plötzlich ein neues Treffen angekündigt. Wir würden aber eine Stunde vorher benachrichtigt werden. Genügend Zeit, um sich wieder zu versammeln.
Das Gespräch führte Lukas Messmer.