Jahrzehntelang galt: Aussenpolitik ist Interessenpolitik. Werte sind weniger wichtig. Doch auf der Münchner Sicherheitskonferenz zeigte sich: Das gilt nicht mehr.
Mit der neuen US-Regierung von Donald Trump erfährt die Welt eine Ideologisierung der Politik. Entscheidend sind zudem Sympathien und Antipathien. Trump schikaniert die traditionellen Partner der USA und hofiert deren Feinden.
Das Image, das US-Präsident Donald Trump pflegt, ist jenes des gewieften Geschäftemachers. «America First» hiesse daher, US-Interessen bestmöglich durchzusetzen. Doch aussen-, sicherheits- und handelspolitisch tut Trumps Regierung so ziemlich das Gegenteil.
Einmischung in europäische Innenpolitik
Pointiert formulierte es am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz der frühere schwedische Regierungschef Carl Bildt: «Wenn das Ziel des US-Auftritts hier war, Europa zum Gegner zu machen, dann war er erfolgreich.»
Trumps Leute mischen sich einerseits in die europäische Innenpolitik ein, und zwar konsequent zugunsten von vielfach prorussischen Rechtsaussenparteien. Sie möchten sich andrerseits als Sicherheitsgarant für Europa abmelden. Im Kreml wird gejubelt. Ohne Gegenleistung könnte Trump Wladimir Putins jahrzehntealten Wunschtraum erfüllen, die Amerikaner aus Europa rauszubekommen.
Die USA sind eine Supermacht, jedoch nicht allein aufgrund eigener Stärke. Sie schafften es mit kluger Allianzpolitik, ihr politisches, diplomatisches und militärisches Gewicht zu potenzieren. Russland und China beneiden sie darum. Auch in internationalen Organisationen ist das Gewicht der USA überproportional, doch Trump will sich von ihnen abwenden. Denn solche Zusammenhänge ignoriert er in seinem Machtrausch.
Trump spielt Spiele der Autokraten
Weil der US-Präsident die mehrheitlich bürgerlichen-liberalen oder sozialdemokratischen Regierungen Europas verachtet, piesackt er sie. Dafür hofiert er den Autokraten von Peking über Moskau bis Riad. De facto spielt er ihr Spiel. Ob das im amerikanischen Interesse ist?
Zerschlägt Trump die transatlantische Allianz, gilt das in Europa als sicherheitspolitischer Katastrophenfall. Aber es schadet zugleich den US-Interessen, es schwächt die Vereinigten Staaten auf der Weltbühne.
Dasselbe gilt für die geplante Zollpolitik. Der US-Wirtschaft, den US-Bürgerinnen und -Bürgern wird sie schaden. Auch hier sind Trump & Co ideologiegetrieben, statt interessenfokussiert.
Europa hat sich erpressbar gemacht
Irrational gebärden sich indes auch die Europäer. Ihre Angst vor Russland, ihre Unfähigkeit, dem russischen Imperialismus eigenständig zu trotzen, ist schwer erklärbar. Wirtschaftlich hat Russland kaum das Gewicht von Italien. Europa investiert gesamthaft viel mehr in die Verteidigung als Moskau.
Dass die EU seit Jahren ausserstande ist, sich sicherheitspolitisch von den USA zu emanzipieren, dass das Engagement für die Ukraine bereits bröckelt, ist unvernünftig. Europa hat sich so in eine schwache Position manövriert und erpressbar gemacht. Auch hier wären mehr Vernunft, also mehr Entschlossenheit, mehr Geschlossenheit gefragt.
Manche Beobachter sehen die Münchner Sicherheitskonferenz 2025 als Zeitenwende. Für diese Diagnose ist es zu früh. Doch ein Bruch zwischen den USA und Europa ist es allemal. Da wurde über Nacht Vertrauen zerstört und Verlässlichkeit verspielt. Das zu reparieren, ist schwierig.