Die Münchner Sicherheitskonferenz findet vor dem Hintergrund wachsender geopolitischer Spannungen statt. Es scheint, als löse sich gerade die westliche Werte- und Schicksalsgemeinschaft auf. Ein Gespräch dazu mit dem Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen.
SRF News: Den drei grössten militärischen Mächten passt die heutige Weltordnung nicht mehr – die USA unter Donald Trump scheinen sich China und Russland anzuschliessen, die das schon lange so sehen. Wird da gerade die Nachkriegsweltordnung demontiert?
Christoph Heusgen: Die Nachkriegsordnung steht auf jeden Fall unter Druck. Das ist ein Grund mehr, dass wir als Europäer, gerade auch die Schweiz als Sitzstaat vieler internationaler Organisationen, unbedingt daran festhalten. Bis heute jedenfalls ist mir keine neue Ordnung erklärt worden, mit der die Welt künftig besser auskommen würde als mit jener, die 1945 mit der UNO in New York geschaffen wurde.
Sehen Sie noch eine solide Basis für eine freundschaftliche Kooperation zwischen den USA und Europa?
Die Tatsache, dass der amerikanische Vizepräsident seine erste Rede im Ausland hier in München hält, ist ein gutes Signal. Auch ist erneut eine grosse Delegation aus dem US-Kongress angereist. Die transatlantischen Beziehungen haben eine solide Grundlage. Ich glaube, sie wird bestehen bleiben.
Wir können nicht weiterhin von den Amerikanern verlangen, dass sie für uns die Kastanien aus dem Feuer holen.
Aber, und das ist auch klar, das ist die Stunde Europas. Wir müssen uns mehr um unsere Sicherheit kümmern. Wir können nicht weiter von den Amerikanern verlangen, dass sie für uns die Kastanien aus dem Feuer holen.
Denken Sie, dass Europa das nun tatsächlich auf die Reihe kriegt?
Ich hoffe es sehr. Wir haben dafür schon vor über 20 Jahren mit den europäischen Verträgen und dem Aufbau von Aussen- und Sicherheitsstrukturen in Brüssel bei der EU eine Grundlage gelegt. Die Institutionen sind vorbereitet. Es ist jetzt die Frage, ob die Mitgliedstaaten den Worten Taten folgen lassen.
Es tun sich aber auch innerhalb Europas Gräben auf. Die Regierungen in Bratislava oder in Budapest stehen Putin wesentlich näher als Brüssel. Auch in grossen Ländern wie Deutschland oder Frankreich haben Parteien Auftrieb, die wenig halten von Völkerrecht, von der Nato, von der EU …
Ja, das muss einem Sorgen bereiten. Die Antwort muss sein, dass die Regierungen überzeugende Arbeit machen. Dass sie auch in der Kommunikation besser werden. Wir sehen heute eine sehr starke Polarisierung in der Gesellschaft. Das hat viel mit sozialen Medien zu tun.
Wir müssen viel mehr erklären – und dafür tun, dass wir die Leute mitnehmen.
Wir müssen die jungen Leute für Aussenpolitik gewinnen. Wir müssen erklären, warum wir mehr Geld für Verteidigung brauchen. Oder warum Putin das tut, was er tut. Wir müssen die Leute mitnehmen. Da müssen wir noch viel mehr tun.
Die Amerikaner sprechen auf der einen Seite von einer souveränen Ukraine, sind aber nicht bereit zu tun, was dafür nötig wäre …
Das hängt damit zusammen, dass die Amerikaner seit Jahren sagen: Passt auf, Europäer! Wenn es um eure Sicherheit geht, dann müsst ihr mehr leisten. Wir haben das auf dem Papier ansatzweise getan. Doch längst nicht genug.
Europa muss mehr Verantwortung übernehmen – das sagt uns Trump jetzt auf die harte Art.
Wir müssen als Europäer für die Sicherheit auf unserem Kontinent Verantwortung übernehmen. Es ist dem US-Steuerzahler – und zwar unabhängig von Präsident Trump – nicht zuzumuten, dass er dreieinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgibt, während wir in Europa nicht mal alle bei zwei Prozent sind. Europa muss mehr Verantwortung übernehmen. Trump sagt uns das jetzt auf die harte Art.
Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.