Vor zehn Jahren war Griechenland buchstäblich bankrott: Die Arbeitslosigkeit lag bei 27 Prozent, die EU-Institutionen und der Internationale Währungsfonds schnürten hektisch Rettungspakete und drückten Griechenland harte Sparbedingungen auf.
Finanzminister Kostis Hatzidakis zeigt sich zufrieden. Griechenland unter der Regierung von Nea Dimokratia sei eine Erfolgsgeschichte. «Eine Erfolgsgeschichte im Vergleich zur populistischen Ära von Syriza unter Alexis Tsipras und Finanzminister Yannis Varoufakis. Dank einer Politik der Vernunft.»
Ist Griechenland bankrott oder nicht?
Das Defizit sei tiefer, die Arbeitslosigkeit mehr als halbiert, die Investitionen hätten sich seit 2019 verdoppelt und die Pensionen, seit 13 Jahren eingefroren, würden dieses Jahr erstmals wieder angehoben. «Wir haben das zweitgrösste Wachstum im EU-Raum», sagt Hatzidakis.
Warum haben dann die Ratingagenturen Griechenland besser bewertet? Gibt es eine internationale Verschwörung für Griechenland?
Man kann die Lage aber auch ganz anders sehen. Griechenland sei bankrotter denn je, sagt der Mann mit der tiefen Stimme, der frühere Finanzminster Yannis Varoufakis. Die Staatsverschuldung sei höher als vor zehn Jahren, das Bruttoinlandprodukt aber tiefer, die Inflation höher und das Nettoeinkommen wiederum geringer.
Mit den Milliardenkrediten und Rettungsschirmen habe Griechenland bloss seine Schulden bei den grossen internationalen Banken beglichen und sie so gerettet, aber nicht den Menschen geholfen.
Hatzidakis kontert. «Warum haben dann die Ratingagenturen Griechenland besser bewertet? Gibt es eine internationale Verschwörung für Griechenland?», spottet der Mann mit der randlosen Brille.
Den Menschen geht es noch nicht gut
Tatsächlich sei die Staatsverschuldung höher als vor zehn Jahren, und das Bruttoinlandprodukt 16 Prozent tiefer als 2009, sagt der Ökonom Frangsikos Kotendakis, bis vor kurzen Leiter der überparteilichen Budgetabteilung des Parlaments. Aber es gebe eine Erholung, wenn auch ausgehend von einem tiefen Niveau.
Das Land könne wieder atmen. 2009 habe das Land 6 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Zinsen ausgegeben, jetzt nur noch 2.4 Prozent.
Den Menschen gehe es noch nicht gut; Stichwort hohe Inflation, tiefe Löhne und Hypothekenkrise, aber es herrsche das Gefühl vor, «das Schlimmste liegt hinter uns».
Was sagt der einstige Zahlmeister Europas, der frühere deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble? «Später ist man immer klüger.» Das bezieht sich auf die griechischen Privatisierungen auf Druck von EU und Internationalem Währungsfonds, die binnen 5 Jahren 50 Milliarden hätten einbringen sollen, aber in der doppelten Zeitspanne bloss einen Fünftel erzielten. Und profitiert von der spektakulärsten Privatisierung, der Verpachtung des Hafens Piräus, hat vor allem China.
Eine Frage des Standpunktes
Schäuble hält an der Idee fest, ein zeitweiser Austritt aus dem Euro hätte die Folgen für die Griechen gemildert. Auch Kanzlerin Merkel habe anfänglich so gedacht. Eine Theorie, die alle anderen Gesprächspartner vehement zurückweisen: Man könne nicht einfach mal so kurz aus einer Währung aussteigen und wieder einsteigen.
Worin sich alle einig sind ist, dass das Spardiktat anfänglich zu hart gewesen sei, gerade die Bevölkerung sehr hart getroffen habe. Wie es Griechenland geht, ist eine Frage des Standpunktes. Dem Land geht es besser, den Menschen nicht, auch wenn die schlimmste Phase vorbei zu sein scheint.