Nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen ist viel Geschirr zerschlagen: Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich, der am Mittwoch mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP zum neuen Regierungschef gewählt worden war, kündigte am Donnerstag seinen Rücktritt an.
Zudem will seine Fraktion einen Antrag auf Neuwahlen stellen. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Thüringer CDU und ihren Landespartei- und Fraktionschef Mike Mohring. Was wird jetzt geschehen in Erfurt?
Thomas Kemmerich will zurücktreten. Ist er noch im Amt? Ja. Bis Donnerstagnachmittag sei noch kein Rücktrittsantrag eingegangen, sagte ein Sprecher des Thüringer Landtages. Demnach ist der 54-Jährige weiterhin im Amt. Auch nach einem eingereichten Rücktritt wäre Kemmerich geschäftsführend Ministerpräsident – bis ein neuer Regierungschef gewählt ist.
Kann die FDP-Fraktion die Auflösung des Parlaments beauftragen? Grundsätzlich ja. Allerdings kann die FDP-Fraktion dies nicht allein tun. Gemäss Thüringer Landesverfassung muss eine Abstimmung über eine Neuwahl von mindestens einem Drittel der Abgeordneten beantragt werden – das wären 30 Personen. Nach Angaben eines Landtagssprechers müssen alle 30 Abgeordneten den Antrag unterschreiben.
Wie wahrscheinlich sind Neuwahlen? Die Hürde ist hoch. Zwar dürften sich leicht 30 Abgeordnete für den Antrag finden. Der Thüringer SPD-Fraktionschef Matthias Hey sagte, er gehe davon aus, dass man bei Linke, SPD und Grünen diese 30 Abgeordneten «spielend zusammenbringen» werde. Um eine Neuwahl tatsächlich zu beschliessen, ist laut Verfassung aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Bedeutet: Ohne Stimmen von CDU oder AfD geht nichts.
Gibt es noch einen anderen Weg zur Neuwahl? Dieser wäre langwieriger. Scheitert ein Neuwahl-Antrag, will Kemmerich die Vertrauensfrage stellen. Auch das kündigte der 54-Jährige am Donnerstag an. Sprechen Kemmerich nicht mindestens 46 Abgeordnete das Vertrauen aus, gilt das Vertrauensvotum als gescheitert. Dann müsste binnen drei Monaten ein neuer Ministerpräsident gewählt werden. Gelingt das nicht, ist der Weg für eine Neuwahl frei.
Wer regiert jetzt Thüringen? Regierungschef ist weiterhin Thomas Kemmerich. Allerdings hat er keine Minister mehr. Nach Angaben der Thüringer Staatskanzlei endete deren Amtszeit mit der Wahl des FDP-Politikers zum Ministerpräsidenten.
Wie geht es jetzt weiter? Die AfD hat signalisiert, dass eine Zustimmung der AfD-Fraktion zu einer Neuwahl «eher unwahrscheinlich» sei. Um eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen, wären dann in jedem Fall Stimmen aus der CDU-Fraktion nötig. Aber auch die CDU will keine Neuwahl, wie der thüringische CDU-Landeschef Mike Mohring betonte, der am Donnerstagabend eine Vertrauensfrage im Landesvorstand überstand.
CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer – die noch am Mittwochabend eine Neuwahl empfohlen hatte – bremst eine Neuwahl vorerst aus: Man wolle zunächst die parlamentarischen Möglichkeiten eines Neustarts ausloten. Schliesslich hadern auch die Grünen in Thüringen mit einer Auflösung des Parlaments. Nach Angaben eines Fraktionssprechers würde man den Weg dafür aber freimachen, wenn Kemmerich doch nicht zurücktreten und ein Misstrauensvotum scheitern würde.
Würde Bodo Ramelow (Linke) noch einmal als Regierungschef kandidieren? Ja. Das bestätigte der Vize-Chef der Thüringer Linken.
Sendebezug: SRF 4 News, 07.02.2020, 04.00 Uhr