Man könnte nach der Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats zu Syrien ausnahmsweise sagen, das mächtigste UNO-Gremium sei sich einig. Allerdings ist es primär eine Einigkeit, vorerst mal zu beobachten und abzuwarten. Offenkundig wurden auch die grossen Mächte vom Sturz des Assad-Regimes völlig überrascht und haben auch 48 Stunden später keinerlei Plan, wie sie sich verhalten wollen.
Moskau will sich mit Machthabern arrangieren
Auf den Punkt bringt die allgemeine Verunsicherung nach der Dringlichkeitssitzung hinter verschlossenen Türen der russische UNO-Botschafter Wassily Nebenzia: «Alle sind von den jüngsten Ereignissen in Syrien überrascht worden, wirklich alle. Jetzt müssen wir schauen, wie sich die Dinge entwickeln.»
Die Bezeichnung Terroristen für die islamistische HTS-Miliz, die nun in Damaskus den Ton angibt, ist aus dem russischen Vokabular verschwunden. Moskau versucht, sich mit den neuen Machthabern zu arrangieren, um seine Marine- und seine Luftwaffenbasis in Syrien zu retten.
Die Dinge sind im Fluss, es besteht Unsicherheit.
Zur Lageanalyse äussert sich Robert Wood, der US-Botschafter bei der UNO fast wortgleich wie sein russischer Amtskollege, was sonst kaum je vorkommt: «Die Dinge sind im Fluss, es besteht Unsicherheit.» Eine Entscheidung im UNO-Sicherheitsrat, ja auch schon nur eine Deklaration, werde auf sich warten lassen.
Zerfall Syriens soll verhindert werden
Einig ist man sich, dass Syrien nicht auseinanderfallen soll. Zudem dürfe das Land nicht in die Hände von Terroristen fallen, betont Chinas UNO-Emissär Fu Cong. Es brauche nun einen umfassenden politischen Prozess. Zu einem solchen ruft seit langem UNO-Friedensvermittler Geir Pedersen auf. Jahrelang stand er damit auf völlig verlorenem Posten. Jetzt könnte er auf einmal wichtig werden.
Grossbritanniens Mann am UNO-Hauptsitz, James Kariuki, spricht von «einem Moment des syrischen Volkes, einem Moment der Hoffnung». Und Kusay Al-Dahhak, der bis vor zwei Tagen noch das Regime von Baschar al-Assad auf der Weltbühne vertrat und verteidigte, hat über Nacht die Fahne gewechselt: «Wir stehen auf der Seite des syrischen Volkes und verteidigen dessen Interessen.»
Flüchtlingsfrage treibt Europa um
Die europäischen Staaten wiederum hoffen, dass viele der syrischen Flüchtlinge bald heimkehren können. Manche üben dazu auch mehr oder minder sanften Druck aus. Dagegen wendet sich indes die UNO. Deren Chefsprecher Stéphane Dujarric: «Wer zurückkehren will, soll das aus freien Stücken und in Würde tun dürfen.»
Nach der Überraschung vom Wochenende, die offenkundig auch die grossen Geheimdienste nicht kommen sahen, versuchen nun alle, die Situation zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Aber noch sind sie alle ratlos, wie sie das tun können.