Die erste Phase der Waffenruhe in Gaza, die Israel und die Hamas vereinbart haben, ist um. Wie soll es nun weitergehen?
Israel hat einer Verlängerung dieser ersten Phase zugestimmt, wie von den USA vorgeschlagen. Die Hamas hat den Vorschlag bislang aber nicht akzeptiert. Sie will mit der zweiten Phase weitermachen, die ein endgültiges Ende des Kriegs vorsieht. Auslandredaktorin Anna Trechsel fasst die gegenwärtige Situation zusammen.
Was genau steht zur Diskussion?
Der Vorschlag des US-Gesandten Steve Witkoff sieht vor, dass die erste Phase des Waffenstillstandsabkommens um etwa sieben Wochen verlängert wird. Zu Beginn soll die Hälfte der 59 noch in Gaza verbliebenen israelischen Geiseln ausgetauscht werden – tote und lebende. Im April sollen die Restlichen folgen. Man nimmt an, dass insgesamt noch 24 Geiseln am Leben sind. Weil die Hamas den Vorschlag Witkoffs entschieden ablehnt, hat Israel seit Sonntagmorgen die Lieferung sämtlicher Hilfsgüter nach Gaza gestoppt und die Grenzübergänge geschlossen.
Weshalb lehnt die Hamas eine Verlängerung der Waffenruhe ab?
Die Hamas wehrt sich dagegen, die Spielregeln zu ändern und wirft Israel Erpressung vor. Im Abkommen von Mitte Januar, das Israel und die Hamas unterzeichnet haben, wurden die Rahmenbedingungen klar abgesteckt: Nach dem Ende der ersten Phase beginnt die zweite, während der sich die israelische Armee ganz aus dem Gazastreifen zurückziehen soll und ein dauerhaftes Ende der Kampfhandlungen ausgehandelt wird. Gleichzeitig sollen die verbliebenen israelischen Geiseln und palästinensische Häftlinge freikommen. Fällt diese zweite Phase aber weg, hat die Hamas keinen Anreiz mehr, mitzumachen. Von ihr würde verlangt, alle Geiseln freizulassen, ohne Garantie, dass der Krieg danach beendet wird und die israelische Armee abzieht. Das liegt nicht in ihrem Interesse.
Weshalb will Israel die zweite Phase der Vereinbarung nicht einleiten?
Von Beginn an war fraglich, ob die zweite Phase des Abkommens wirklich zustande kommt, denn sie enthält einige Punkte, die Israels Kriegszielen diametral widersprechen – mit Ausnahme der Freilassung der Geiseln. Schon kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angedeutet, dass die zweite Phase für ihn nicht in Stein gemeisselt sei. Eigentlich müssten sich die israelischen Truppen jetzt etwa vom Philadelphi-Korridor an der Grenze zu Ägypten zurückziehen, doch bereits am Donnerstag hat Israel angekündigt, dies nicht zu tun. Ausserdem hat sich die israelische Regierung das Ziel gesetzt, die Hamas in Gaza zu zerschlagen. Israel will also versuchen, alle Geiseln zurückzuholen, ohne die Ziele der Zerschlagung der Hamas und des Verbleibs von israelischen Truppen in Gaza aufzugeben.
Ist die Waffenruhe nun hinfällig?
Bis jetzt hat keine Konfliktpartei das Abkommen explizit aufgekündigt, aber es ist momentan unwahrscheinlich, dass es hält. Der Stopp der Hilfslieferungen ist ein Verstoss gegen das Abkommen und gegen Völkerrecht. Er gefährdet nicht nur die Versorgung der Bevölkerung Gazas, sondern auch die noch lebenden israelischen Geiseln. Zudem hat der Fastenmonat Ramadan begonnen, und die Situation der Bevölkerung Gazas ist noch immer katastrophal. Es bleibt fraglich, ob die Hamas mit Druck dazu gebracht werden kann, völlig neue Bedingungen für den Waffenstillstand zu akzeptieren. Israel droht der Hamas andernfalls mit weiteren Konsequenzen – was eine Wiederaufnahme des Krieges bedeuten könnte. Wenn der Krieg weitergeht, sind wir am gleichen Punkt wie vor dem Abkommen vom Januar.