Israel hat sein Kriegsziel, die Hamas im Gazastreifen zu vernichten, verfehlt. Dennoch ist Omar Shaban, Direktor der unabhängigen palästinensischen Denkfabrik Pal-Think, überzeugt davon, dass die Zeit der Herrschaft der militanten Islamisten über Gaza bald vorbei sein wird.
«Die Hamas weiss sehr wohl, dass sie weder von der internationalen Gemeinschaft noch von der lokalen Bevölkerung weiterhin als Regierung akzeptiert würde», sagt der politische Analyst aus Gaza, der seit Oktober 2023 im Exil in Kairo lebt.
Es wird keinen Wiederaufbau in Gaza geben, wenn die Hamas dort bleibt. Kein einziges Land, auch kein arabisches, würde sonst zahlen. Die Hamas muss das Feld räumen.
Doch wer ist in der Lage, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen? Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im besetzten Westjordanland hat sich selbst ins Spiel gebracht, doch Shaban winkt ab: Die PA habe gar nicht die Kapazitäten dazu. Ausserdem sei sie sehr unbeliebt.
Lokale Komitees sollen regieren
Stattdessen schlägt Shaban eine Überbrückungsperiode von zwei bis drei Jahren vor: «Lokale Komitees aus Gaza könnten in dieser Zeit die Verwaltung übernehmen, in Zusammenarbeit mit der palästinensischen Autonomiebehörde und der internationalen Gemeinschaft.» Danach sollten Wahlen stattfinden, in Gaza und im Westjordanland, denn die Palästinenserinnen und Palästinenser bräuchten eine neue politische Führung.
Omar Shaban gibt der Hamas noch ein paar Monate in Gaza. Als politische und militärische Macht sei sie zerschlagen. «Es wird keinen Wiederaufbau in Gaza geben, wenn die Hamas dort bleibt. Kein einziges Land, auch kein arabisches, würde sonst zahlen. Die Hamas muss das Feld räumen.»
Die israelische Regierung zieht es vor, die politische Spaltung innerhalb der Palästinenser aufrechtzuerhalten.
Hussein Ibish, Experte beim Arab Gulf States Institute in Washington D.C., ist anderer Meinung. Die Hamas sei in Gaza zwar unbeliebt, aber das kümmere sie wenig. Die Islamisten würden die Kontrolle über Gaza behalten. «Israel weigert sich noch immer, über eine Nachkriegsordnung und eine zivile palästinensische Alternative in Gaza zu diskutieren. Das lässt nur zwei Optionen offen: Eine umfassende israelische Wiederbesetzung, wozu die Armee nicht bereit ist. Oder eben genau das, was jetzt passiert: die Rückkehr der Hamas-Herrschaft», so Ibish.
Strategischer Entscheid Israels?
Ibish vermutet dahinter einen strategischen Entscheid Israels. «Der 7. Oktober 2023 hat die Politik Israels gegenüber den Palästinensern nicht verändert. Die Regierung zieht es vor, die politische Spaltung innerhalb der Palästinenser aufrechtzuerhalten: die Hamas in Gaza, und die PA im Westjordanland. Diese Spaltung verhindert Einigkeit unter den Palästinensern, die das moderate, säkulare Lager stärken und schliesslich zur Schaffung eines palästinensischen Staates führen könnte.» Offiziell spricht sich Israel allerdings gegen die Fortsetzung der Hamas-Herrschaft in Gaza aus.
Es liegt in der Hand der Hamas und Israels, zunächst das Waffenstillstandsabkommen einzuhalten und sich für eine Nachkriegsordnung zu entscheiden. Noch ist der Krieg nicht beendet.