In der Nacht herrschte Feststimmung in den Strassen von Beirut. Die Leute tanzten. Die Hisbollah feierte die Ankündigung einer Waffenruhe wie einen Sieg. Mancherorts wurden aus Freude Schüsse in die Luft abgefeuert.
Am Morgen danach sieht das Bild in Hamra, einem vorwiegend muslimischen Teil Beiruts, aber anders aus. An einer Kreuzung werden Glasscherben weggewischt. Ein beissender Geruch von explodierter Munition hängt in der Luft.
Kurz vor der Waffenruhe bombardiert
Ali Jounis Fotogeschäft wurde in den letzten Stunden vor dem Waffenstillstand bombardiert. «Ich habe alles verloren. Alles. Und das kurz vor der Waffenruhe», sagt Jouni. Sein schwarzes T-Shirt ist vom Staub fast weiss.
Mein Laden – und mein Leben – sind zerstört.
Mit Plastikhandschuhen versucht er zu retten, was letzte Nacht nicht verbrannt ist, doch das ist bloss etwas Dekorationsmaterial. Das meiste ist Schutt und Asche. Nicht einmal seinen Pass konnte er aus dem Geschäft mitnehmen, als er vor dem Angriff gewarnt wurde. So schnell musste er raus.
Warum sein Geschäft attackiert wurde, weiss er nicht. In den Stockwerken darüber ist eine Bank. Vielleicht war sie Ziel des Angriffs. «Aber jetzt ist mein Laden – und mein Leben – zerstört», klagt Jouni. Da sei selbst die Waffenruhe bloss ein schwacher Trost.
Enttäuscht über Niederlage der Hisbollah
4000 Menschen verloren im Krieg ihr Leben. Und so ist Jouni trotzdem froh, dass er nun vorbei ist. «Doch der Libanon hat einen sehr hohen Preis bezahlt», sagt er. Jouni ist kein Hisbollah-Kämpfer, als Schiit steht er ihr aber ideologisch nahe. Freudenstimmung wie in der Nacht kommt bei ihm nicht auf. «Wir haben den Krieg verloren», stellt er fest.
Zu viele Leute sind gestorben – nur, um jetzt aufzugeben.
Auch andere im Quartier sehen das so. So sagt etwa eine Passantin, sie sei nicht glücklich über die Waffenruhe. «Zu viele Leute sind gestorben – nur, um jetzt aufzugeben», sagt sie den Tränen nahe. Wäre es nach ihr gegangen, hätte die Hisbollah weiterkämpfen sollen.
Doch vielerorts überwiegt die Erleichterung ob der Waffenruhe. Gerade unter den Geflüchteten aus dem Süden des Libanon, die nun eilig Matratzen auf die Dächer ihrer Autos laden. Sie wollen zurück – möglichst noch heute; oder dann aber morgen.
Kann man der Waffenruhe trauen?
Weitgehend verschont geblieben von Angriffen ist das christliche Quartier Achrafieh. Ein Strassenmusikant spielt unbekümmert «Que sera, sera, what ever will be will be» – als wäre Beirut nicht gestern noch bombardiert worden.
Die Waffenruhe sorgt hier für Aufatmen: «Jetzt kann ich wenigstens ein wenig durchschlafen, ohne ständig von den Explosionen aus dem Bett gerissen zu werden», sagt eine Frau. Doch trauen will sie der Waffenruhe noch nicht.
Ich hoffe, dass sich die Situation jetzt wieder verbessert.
Wie ihr geht es vielen Menschen in Beirut – sie trauen weder der Hisbollah noch den Ankündigungen aus Israel. Es wird sich erst noch zeigen, wie stabil diese Waffenruhe sein wird.
Doch immerhin haben die Libanesinnen und Libanesen jetzt wieder etwas Hoffnung, ein normaleres Leben zu führen. «Ich hoffe, dass sich die Situation jetzt wieder verbessert – und die Leute wieder ihrer Arbeit nachgehen, Wahlen abhalten und einen Präsidenten wählen können», sagt ein Anwalt in der rund 30 Kilometer nördlich von Beirut gelegenen Stadt Byblos.
Wieder etwas Normalität im Libanon – das ist im Moment die Hoffnung vieler Menschen hier.