Seit Wochen versuchen die USA, einen Flächenbrand zu verhindern. Aussenminister Antony Blinken reiste mehrmals in den Nahen Osten, Präsident Joe Biden besuchte Israel und stellte sich mit deutlichen Worten hinter den engen Verbündeten Israel und dessen oberste Pflicht, seine Bürgerinnen und Bürger zu beschützen.
Die USA wollen zugleich zivile Opfer im Gazastreifen vermeiden, die Not der Palästinenser mindern und die Hamas-Geiseln befreien. Und sie müssen Rücksicht auf arabische Länder nehmen, auch wenn sie deren Forderung nach einem Waffenstillstand ablehnen.
Je mehr die Todeszahlen im Gazastreifen steigen, umso mehr widersprechen sich die Ziele der US-Aussenpolitik.
Diese Gratwanderung dürfte noch schwieriger werden, sagt Gina Abercrombie-Winstanley, Präsidentin der Denkfabrik Middle East Policy Council: «Und je mehr die Todeszahlen im Gazastreifen ansteigen, umso mehr widersprechen sich die einzelnen Ziele der US-Aussenpolitik.» Biden und Blinken versuchten einen schwierigen Balanceakt, so die ehemals hochrangige US-Diplomatin weiter.
Die Regierung Biden machte den Fehler vieler Regierungen: Der Nahe Osten erhielt nicht die nötige Priorität.
Die USA müssen sich damit stark einer Region widmen, die für ihre Aussenpolitik eigentlich nicht mehr oberste Priorität hatte. Die Welt ist in den letzten Jahrzehnten eine andere geworden und China zum geopolitischen Rivalen. Längst ist in Washington daher die Rede davon, den Fokus der Aussen- und Sicherheitspolitik auf den Indopazifik auszurichten.
Zum weiteren Brennpunkt wurde die Ukraine, wegen des russischen Angriffskriegs. Dazu Nahost-Experte Brian Katulis, Vizepräsident der Denkfabrik Middle East Institute in Washington: «Die Regierung von Joe Biden machte den Fehler, den viele Regierungen gemacht haben: Der Nahe Osten erhielt nicht die nötige Priorität.»
Doch als Biden das Weisse Haus übernahm, wurde die Region aussenpolitisch zurückgestuft – laut Katulis so stark wie von keiner anderen US-Regierung in der letzten Zeit. Bereits Präsident Barack Obama habe zuvor versucht, sich aus der Region zurückzuziehen und die US-Truppen aus dem Irak abgezogen.
Der Friedensplan von Trump
Bidens Vorgänger Donald Trump legte zwar einen Friedensplan vor – die Palästinenser wurden aber nicht miteinbezogen und lehnten ihn rundweg ab. Trumps Nahostpolitik war generell sehr israelfreundlich und schlug einen neuen Weg ein: Israel sollte mit der Hilfe der USA die Beziehungen zu arabischen Ländern normalisieren. Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate anerkannten den israelischen Staat, etwas später folgte Marokko.
Wir akzeptierten die Position der Israelis, man könne den Konflikt auf Eis legen und später wieder Fortschritte machen.
Die Regierung von Biden setzte diesen Prozess fort und hoffte, auch Saudi-Arabien würde bald die Beziehungen zu Israel normalisieren. Quasi auf Umwegen habe man so gehofft, den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu lösen, sagt Abercrombie-Winstanley: «Wir akzeptierten die Position der Israelis, man könne den israelisch-palästinensischen Konflikt auf Eis legen und später trotzdem wieder Fortschritte machen.
Das Vakuum
Diese Hoffnung hat sich mit dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober und den Gegenangriffen der Israelis vorerst zerschlagen. Laut Katulis haben die USA in der Region immer noch am meisten Einfluss, mehr als Europa, China und Russland.
Immer wenn ein US-Präsident denkt, er habe sich aus der Region zurückgezogen, wird er wieder hineingezogen.
Immer wenn sich die USA zu wenig um den Nahen Osten kümmerten, hinterlasse das ein Vakuum, gibt Katulis zu bedenken. So wie jetzt, wo Washington unter Zugzwang erneut versuchen müsse, einen Frieden im Nahen Osten zu vermitteln: «Immer wenn ein US-Präsident denkt, er habe sich aus der Region zurückgezogen, wird er wieder hineingezogen.»