Als stärkster Verbündeter Israels prägen die USA das Geschehen im Nahen Osten entscheidend mit. Wie stark ihre Nahostpolitik mitverantwortlich für die Eskalation im Nahen Osten ist, ordnet Pascal Weber, früherer Nahost-Korrespondent und aktueller Korrespondent in Washington, ein.
Welche Verantwortung tragen die USA für das Geschehen im Nahen Osten?
Die USA sind die stärkste externe Macht im Nahen Osten, sie sind der stärkste Verbündete von Israel, sie haben selbst Krieg geführt im Irak und in Afghanistan und haben Truppen fast überall. Die US-Aussenpolitik hat den Nahen und Mittleren Osten seit dem Treffen von Präsident Roosevelt mit dem saudischen König Abdul Aziz Ibn Saud auf dem US-Kriegsschiff USS Quincy am Valentinstag 1945 im Suez Kanal geprägt, und der Nahe Osten hat die US-Politik geprägt. Die USA tragen automatisch eine grosse Mitverantwortung für das, was im Nahen Osten geschieht.
Zuletzt wollten sich die USA aber eher aus dem Nahen Osten zurückziehen?
Es ist die grosse Ironie, dass die USA ausgerechnet in dem Moment, in dem sie sich eigentlich aus dem Nahen Osten zurückziehen und mehr China und Osteuropa zuwenden wollten, mit solcher Macht in den Nahen Osten zurückgezogen werden. Aussenminister Antony Blinken reist dieser Tage nach Israel, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten. Die amerikanische Exit-Strategie aus dem Nahen Osten ist krachend gescheitert.
Was haben die USA falsch gemacht?
Die USA sassen dem Irrglauben auf, dass der eigentliche Nahostkonflikt, also der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, nicht mehr relevant sei. Sie setzten stattdessen auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und arabischen Staaten, die sogenannten Abraham Accords. Zuletzt schien sogar ein Abkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien nahe. Wäre das gelungen, wäre dies für die USA ein grosser Erfolg gewesen.
Hätten sich die USA weiter aus der Region zurückziehen können?
Das ist das grosse Ziel der Amerikaner. Gleichzeitig wollen sie verhindern, dass ihr grosser geopolitischer Gegner China dies ausnützen kann. Eine Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien hätte nun die beiden gewichtigsten Verbündeten der USA in der Region in eine gemeinsame Allianz gegen Iran zusammengeführt und es hätte gleichzeitig Saudi-Arabien in der Einflusssphäre Washingtons gehalten. Mit der Eskalation rund um Gaza ist diese Strategie der Normalisierung bis auf Weiteres vom Tisch.
Wie hoch ist der Druck in Washington, härter gegen den Iran vorzugehen?
Die Regierung Biden steckt in einem Dilemma. Sie wollte Iran durch relativ beschränkte wirtschaftliche Zugeständnisse zu pragmatischen Schritten bewegen und so Spannungen abbauen. Die Zugeständnisse schienen aus westlicher Sicht eigentlich im Interesse von Teheran zu sein. Doch das Regime in Teheran funktioniert nicht so. Zudem hat Iran mit seinen Milizen im ganzen Nahen Osten Stellvertreterarmeen aufgebaut, denen die Staaten und herkömmliche Armeen nicht Herr werden können. Der Ansatz der Biden-Regierung ist gescheitert, und neue Ideen sind nicht erkennbar.