- Der türkische Präsident Erdogan hat angekündigt, die für Juni geplanten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen auf den 14. Mai vorzuziehen.
- Bereits am Mittwoch hatte er diesen Wahltermin ins Spiel gebracht. Nun bestätigte er dies am Sonntagabend.
Die Wahlen gelten als Bewährungsprobe für Erdogan, der seit 20 Jahren in der Türkei an der Macht ist. 2003 wurde er zum Ministerpräsidenten gewählt, seit 2014 ist er Staatspräsident.
Vorgezogene Wahlen können entweder mit 60 Prozent der Abgeordnetenstimmen im Parlament oder per Dekret durch den Präsidenten angeordnet werden. Im Parlament verfügt seine islamisch-konservative AKP gemeinsam mit den ultranationalistischen MHP derzeit nur über eine einfache Mehrheit.
Dritte Kandidatur verfassungswidrig?
Mit seiner Aussage machte Erdogan nun deutlich, dass er ein Vorziehen der Wahl im Alleingang anstrebt. Damit dürfte Erdogan auch eine Diskussion um seine erneute Kandidatur weiter befeuern. Die Opposition argumentiert, Erdogan dürfe laut Verfassung nicht zum dritten Mal kandidieren.
Erdogan war 2014 zum ersten Mal und 2018 zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt worden. Eine dritte Kandidatur sei nur vorgesehen, wenn das Parlament vorzeitige Wahlen erzwinge. Nach Ansicht der Regierung steht der Kandidatur Erdogans allerdings nichts im Wege.
Erdogan befürchtet, dass seine Wahlgeschenke, die er bereits gemacht hat, bis Juni verpuffen könnten.
Sie hält dagegen, Erdogan sei 2018 nach einer Verfassungsänderung als erster Präsident in einem neuen Präsidialsystem gewählt worden. Seine vorherige Amtszeit zähle also nicht. Auch Verfassungsrechtler sind in der Frage zerstritten.
Erdogan und seine Wahlgeschenke
Erdogan ziehe den Wahltermin vor, weil er befürchte, dass «Wahlgeschenke, die er bereits gemacht hat, bis Juni verpuffen könnten», sagt der Journalist Thomas Seibert in Istanbul gegenüber SRF. Dabei gehe es um die Anhebung von Mindestlöhnen und Beamtengehältern sowie um eine Steueramnestie, welche Erdogan in Kürze ankündigen wolle.
«Er präsentiert sich als Macher, mit dem es niemand aufnehmen kann», stellt der Journalist fest. Ausserdem ziele Erdogan darauf ab, vergessen zu machen, dass er selber einen Teil der momentanen Probleme verschulde – etwa durch die viel zu tiefen Zinsen, was zu noch höherer Inflation führt.
Offenbar intakte Wahlchancen für Erdogan
Derzeit zeigen die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Regierungsbündnis aus AKP/MHP und der Oppositionsallianz, angeführt von der CHP. «Das allein ist ein Erfolg für Erdogan, der schon 20 Jahre an der Macht ist», sagt Seibert.
Dabei sei der seit 2014 amtierende Präsident im Volk beliebter als seine AKP. Es könnte also sein, dass Erdogan als Präsident im Amt bestätigt werde, seine AKP mit ihrem Partner MHP aber die Parlamentsmehrheit verlieren könnte.
Zünglein an der Waage könnte bei der Parlamentswahl die kurdische HDP spielen, die mit rund zehn Prozent der Stimmen rechnen kann und keinem der beiden Bündnisse angehört.
Wer wird Oppositionskandidat?
Unklar ist weiterhin, wer das Oppositionsbündnis als Spitzenkandidat anführen wird. Der aussichtsreichste Kandidat gegen Erdogan ist der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der CHP. Ihm droht allerdings ein Politikverbot durch die regierungshörige Justiz.
Zudem möchte CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu selber als Spitzendkandidat des Oppositionsbündnisses antreten, allerdings ist er im Volk viel weniger beliebt als Imamoglu. Anfang Februar soll der Entscheid fallen, mit welchem Kandidaten das Sechsparteienbündnis gegen Erdogan in die Präsidentenwahl zieht.