Aufzug der weiss-blauen finnischen Flagge im Nato-Hauptquartier. Kurze Ansprachen. Ein feierlicher Moment. Und dann ist die Nato um ein Mitglied grösser. Ihr Generalsekretär, Jens Stoltenberg, spricht von «einem guten Tag für Finnland, einem guten Tag für die Sicherheit in Nordeuropa und einem guten Tag für die Nato insgesamt». Das sehen im Verteidigungsbündnis eigentlich alle so, obschon zwei Mitglieder – die Türkei und Ungarn – aus innenpolitisch-nationalistischen Gründen die Ratifizierung des finnischen Beitritts hinausgezögert haben und Schweden sogar noch etwas länger hinhalten.
Symbolische Gegenreaktion
Militärisch ist die Sache ohnehin klar: Europas Norden lässt sich besser verteidigen, wenn das Terrain arrondiert ist und nunmehr alle nordischen Staaten der Nato angehören. Vor allem die baltischen Staaten dürften sich künftig erheblich sicherer fühlen. Zwar erhält die Allianz jetzt zusätzlich gut 1300 Kilometer Grenze direkt zu Russland. Dort reagiert der Kreml nun als Gegenreaktion mit mehr Truppenpräsenz.
Doch der Akt dürfte bloss symbolisch sein. Die jüngste Entwicklung zeigt: Moskau unterscheidet sehr wohl zwischen Nichtmitgliedern der Nato und Mitgliedern. Bei ersteren, allen voran in der Ukraine, aber auch in Moldawien oder Georgien, mischt es sich hemmungslos ein. Bei letzteren, etwa den drei baltischen Staaten, Polen oder Rumänien, hält es sich zurück. Der Kreml stilisiert zwar die Nato zum Feind, der Russland angeblich vernichten möchte. Doch auf einen direkten Konflikt mit der mächtigsten Militärallianz der Welt lässt man es vorläufig nicht ankommen.
Fast-Mitglied Schweden
Dass die schwedische Flagge, anders als geplant, nicht gleichzeitig mit der finnischen am Nato-Sitz gehisst wird, ändert militärisch-strategisch wenig. Schweden besitzt keine direkte Landgrenze zu Russland. Ein Überfall mit Bodentruppen müsste also über die Nato-Mitglieder Finnland oder Norwegen erfolgen. Schweden wird also durch den finnischen Beitritt quasi mitgeschützt.
Dazu kommt: Die Nato betrachtet und behandelt Schweden inzwischen als Fast-Schon-Mitglied. Es sitzt bei sämtlichen Beratungen, politischen wie militärischen, mit am Tisch. Es ist in die Planungsprozesse und weitgehend in die militärischen Strukturen eingebunden. Und seit kurzem hat Schweden Beistandsabkommen mit mehreren Nato-Mitgliedern, notabene mit den USA und Grossbritannien. Nato-Generalsekretär Stoltenberg wird nicht müde zu betonen, es sei undenkbar, dass die Nato nichts täte, wenn Schweden angegriffen würde.
Grosse Verteidigungsfähigkeiten
Finnland und Schweden, die sich schon mit ihrem EU-Beitritt ein Stück weit von ihrer Neutralität verabschiedet hatten, arbeiten seit Jahren immer enger mit der transatlantischen Militärallianz zusammen. Doch dass sie gleich voll der Nato beitreten, schien vor der russischen Invasion in die Ukraine unwahrscheinlich. Nun treten sie bei, und zwar nicht als Hilfsbedürftige, sondern als Staaten, die einiges an Verteidigungsfähigkeiten mitbringen.
Diktator Wladimir Putin wollte mit seiner Invasion in die Ukraine der Nato-Erweiterung Einhalt gebieten. Tatsächlich hat er ihr Vorschub geleistet und dafür gesorgt, dass sie nun, besonders an ihrer Nordflanke, solider dasteht als zuvor.