Um was geht es? Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wird heute Mittwoch zu seiner ersten Auslandsreise seit Beginn des Krieges in Washington erwartet. In diesem Zusammenhang will die US-Regierung der Ukraine das Patriot-Flugabwehrsystem zur Verteidigung gegen russische Luftangriffe liefern.
Was ist das Patriot-System? Patriot («Phased Array Tracking Radar for Intercept on Target») zählt zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper werden damit bekämpft. Auf eine Entfernung von etwa 100 Kilometern und bis in Höhen von 30 Kilometern können die Abwehrraketen in einer gedachten Glocke um die Stellung Ziele treffen – abhängig vom eingesetzten Lenkflugkörper. Es wurde in den 1980er Jahren modifiziert, um es an die neue Bedrohung durch taktische ballistische Raketen anzupassen. Das System bewies ihre Wirksamkeit im ersten Irak-Krieg gegen Scuds aus russischer Produktion.
Wie funktioniert das Patriot-System? Hochgradig mobil, umfasst jede Patriot-Batterie eine Kommandozentrale, ein Radar zur Erkennung sich nähernder Bedrohungen, Antennen zur Erkennung und Störung sowie Abschussvorrichtungen. Jede Abschussvorrichtung kann mit vier PAC-2-Raketen mit einer Reichweite von 160 Kilometern oder 16 Raketen der neuen Generation PAC-3 bestückt werden, die zwar nur eine Reichweite von 40 Kilometern haben, aber dank eines an Bord befindlichen Radars präziser sind. Dem US-Thinktank CSIS zufolge kostet eine Abwehrrakete PAC-3 etwa vier Millionen Dollar pro Stück.
Kann die Lieferung den Krieg verändern? «Davon ist auszugehen. Patriot ist aber primär ein defensives System», erklärt Marcel Berni, ETH-Strategie-Experte. Gleichwohl handle es sich um eines der derzeit teuersten und besten bodengestützten Flugabwehrsysteme grosser Reichweite zum Abschuss von Raketen, Drohnen oder Flugzeugen. Auch anderen Experten zufolge könnte die militärische Lage verändert werden. Es gibt aber auch kritische Stimmen, ob das System ein «Gamechanger» darstellen könnte. Ein ehemaliger hochrangiger Militärbeamter erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, dass eine Patriot-Batterie zwar eine grosse Reichweite habe, aber nur ein begrenztes Gebiet abdecken könne. So könnten die Patriots zwar einen kleinen Militärstützpunkt wirksam schützen, nicht aber eine grosse Stadt wie Kiew.
«Das Weisse Haus zeigt, dass es gewillt ist, teure und ausbildungsintensive Waffensysteme an die Ukraine zu liefern», erklärt Berni. Die Ukrainer müssten aber zuerst an diesem System ausgebildet werden. Das System werde den Ukrainern mittelfristig aber die Möglichkeit geben, sich an bestimmten Orten besser vor Gefahren aus der Luft schützen zu können, so Berni.
Was sagt Russland zur Patriot-Lieferung? Russland hat die USA-Reise des ukrainischen Präsidenten und die angekündigten neuen Waffenlieferungen kritisiert. «Das alles führt zweifellos zu einer Verschärfung des Konflikts und verheisst an sich nichts Gutes für die Ukraine», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge und kritisierte, die Waffenlieferungen würden nicht nur fortgesetzt, sondern um neue Systeme erweitert. «Der russische Raketen- und Drohnenterror dürfte dazu geführt haben, dass die Ukraine das Patriot-System bekommt», erklärt Strategie-Experte Berni abschliessend.