Das Pergolenviertel, ein Hamburger Wohnungsbau: «Ein Viertel, das gerade neu gebaut ist und schon weitestgehend fertiggestellt ist. Genau da war ich vor zwölf Wochen mit Olaf Scholz», sagt Andreas Breitner.
Der Direktor der norddeutschen Wohnungsunternehmer hat Olaf Scholz bei seinem Wahlkampfauftritt begleitet, zum Renommierprojekt im Norden der Stadt mit 1700 Wohnungen. Hamburg und der Wohnungsbau, ein Erfolg? «Erstmal setzt man auf den Neubau.» Das finde Breitner gut.
Das ist so, seit Olaf Scholz 2011 als Erster Bürgermeister ein «Bündnis für das Wohnen» ins Leben rief: Regierung, Bezirke, Bauwirtschaft, alle an einem Tisch – auf Augenhöhe, sagt Andreas Breitner.
«Das ist das Besondere, dass man hier die Investoren und die Privatwirtschaft nicht als Gegner, Feind, Goldgräber oder Spekulanten diffamiert und stigmatisiert. Sondern dass man sagt, das sind die Partner, mit denen wir gemeinsam unsere politischen Ziele erreichen können.» Denn hier wisse der Staat, dass er es nicht allein schaffen könne.
Das Ziel: 10'000 neue Wohnungen jedes Jahr. Dafür gibt es klare Regeln. Grossbauprojekte enthalten ein Drittel Sozialwohnungen. Die Stadt baut Hürden ab, etwa lange Genehmigungsfristen. Doch diese seien immer noch zu lange. «Die Stadt propagiert und sagt, innerhalb von neun Monaten bekomme man in Hamburg eine Baugenehmigung. Das können auch 19 Monate oder im schlimmsten Fall neun Jahre sein.»
Bündnis mit Grenzen
Das Bündnis für das Wohnen sei gut, habe aber seine Grenzen, so Andreas Breitner von der Wohnbauwirtschaft. Boden werde nur noch verpachtet und wohl zur Mangelware. Dass es bisher dennoch funktionierte, liegt daran, dass Hamburg Stadt und Bundesland ist. Das Hamburger Konzept lässt sich nicht einfach auf den Rest des Landes übertragen. Dem Bund fehlt etwa die Hoheit über die Planung.
Diese hanseatische Tradition hat Scholz mit der Muttermilch aufgesogen, weil er hier politisch sozialisiert ist.
Scholz’ enge Zusammenarbeit mit Hafenwirtschaft, Industrie und Bauwirtschaft sei ohnehin etwas sehr Hamburgisches. «Und diese hanseatische Tradition hat er mit der Muttermilch aufgesogen, weil er hier politisch sozialisiert ist.»
Kein direkter Einfluss auf den Arbeitsalltag
77'000 Wohnungen wurden seit 2011 gebaut. Marielle Eifler kann das aus der Statistik ablesen, nicht aber aus der Arbeit beim Mieterverein zu Hamburg, in dessen Vorstand sie ist. «Nein, wir können nicht in unserer täglichen Arbeit sehen, dass es sich entlastet hat. Aber ich möchte nicht daran denken, wie es gewesen wäre, wäre dieses Bündnis für das Wohnen von Olaf Scholz nicht da gewesen.»
Die Stadt sei nach wie vor überfordert vom Zuzug vieler Menschen. Es fehlten 30'000 Wohnungen, aber «Olaf Scholz hatte das Gespür, die Idee und die Beharrlichkeit und hat diesen Fussabdruck hinterlassen.» Mit diesem Bündnis habe er den Mietern einen sehr grossen Gefallen getan. Ganz der Hanseate, meint Eifler. «Ich glaube, es ist recht hanseatisch bei uns. Das, was man sich vornimmt und verspricht, macht man dann auch.»
Tragische Erinnerungen an G20-Gipfel
Das Bild dieses zuverlässigen Hanseaten bekommt augenblicklich Risse, wenn sich Marielle Eifler an die Krawalle beim G20-Gipfel in ihrem Quartier erinnert. «Mit der rohen Gewalt hat einfach keiner gerechnet. Das hat uns schon getroffen.»
Hier im Schanzenviertel war das, vor vier Jahren. Versprochen war ein sicherer Gipfel mitten in der Stadt, während die Polit-Elite über die Welt verhandelte und in der Elbphilharmonie Beethoven lauschte. Yvonne Trübger hat hier ein prächtiges Klaviergeschäft in diesem bunten, offenen, toleranten, aber sehr politischen Viertel.
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Bild 1 von 2. Hinter Farbe und Toleranz im Schanzenviertel steckt auch viel Politik. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 2. «Aufstände statt Diäten» steht übersetzt geschrieben. Bildquelle: SRF.
Selbst 20'000 Sicherheitskräfte konnten nicht verhindern, dass der schwarze Block, zugereist aus ganz Europa, randalierte. «Hier hat es gebrannt, neben uns waren alle Scheiben eingeschmissen, der Rewe wurde geplündert.»
Trübger war auch viele Monate später noch traumatisiert: «Ich habe die Wochen vor dem G20 und die direkten Tage um und beim G20 leider immer noch in sehr lebendiger Erinnerung. Mir hat die Zeit etwas gespiegelt, von dem ich nicht dachte, dass es mir mal passieren würde, nämlich den absoluten Verlust von Sicherheit und des Gefühls, der Rechtsstaat würde es schon regeln.»
Zum Glück hörte Yvonne Trübger nicht auf die Beschwichtigungen der Polizei. Sie verliess sich aufs Bauchgefühl und verbarrikadierte die Front ihres Geschäfts mit Holz.
Während sich also die Behörden um die Sicherheit der G20-Teilnehmenden kümmerten, überliessen sie das Schanzenviertel zeitweise sich selbst. Am Tag danach trafen sich Yvonne Trübger und einige Anwohner mit der Polizei, dem Bundespräsidenten und Olaf Scholz, dem Ersten Bürgermeister. «Er hat die Situation aufgenommen und relativ wenig kommentiert. Eine Entschuldigung kam an dem Tag nicht.»
Nach grossem öffentlichen Druck erst entschuldigte sich Olaf Scholz. Zu spät für Yvonne Trübger. Ihr schickes Klaviergeschäft mag auf den ersten Blick nicht in den versprayten Bezirk passen, doch es ist länger da als alles rundherum. Ihr Urgrossvater hatte es vor 150 Jahren gegründet in diesem einstigen Klavierbauviertel.
«Wir sind im Schanzenviertel sehr tolerant, aus Tradition heraus. Gleichwohl bleibt diese Erinnerung an G20, wie das abgelaufen ist, in unseren Köpfen sehr lebendig und hinterlässt einen nicht unerheblichen Beigeschmack», sagt Trübger.
Beruflich hat Scholz was gut bei mir, aber persönlich hätte ich ihm gerne gesagt, dass das Scheisse war.
Vielleicht weiss Marielle Eifler vom Hamburger Mieterverein wie kaum jemand sonst aus eigener Erfahrung um die Spuren, die Olaf Scholz an der Elbe hinterlässt, im Guten wie im Schlechten, im Wohnungsbau und beim G20-Gipfel. «Beruflich hat er was gut bei mir, aber persönlich hätte ich ihm gerne gesagt, dass das Scheisse war. Das hätten wir uns sparen können. Das hat was kaputtgemacht hier.»
Die neue deutsche Bundesregierung
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Bild 1 von 18. Kabinett Scholz. Der neuen deutschen Regierung werden 16 Ministerinnen und Minister angehören. Mit dem neuen Bauressort steigt die Zahl der Ministerien im Vergleich zur Vorgängerregierung um eines. Sieben Ministerposten gehen an die SPD, fünf an die Grünen und vier an die FDP. Nur wenige der neuen Ressortchefs haben bereits Regierungserfahrung auf Bundesebene. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 2 von 18. Bundeskanzler. Olaf Scholz (SPD, 63): Der Regierungschef war seit 2018 Bundesfinanzminister und Vizekanzler unter seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU), davor unter anderem Erster Bürgermeister seiner Heimatstadt Hamburg. Bildquelle: Reuters / Archiv.
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Bild 3 von 18. Vizekanzler / Minister für Wirtschaft und Klimaschutz. Robert Habeck (Grüne, 52): Als Parteichef führte er die Grünen zu ihrem bisher besten Bundestagswahlergebnis. Regierungserfahrung hat Habeck in sechs Jahren als Landesminister in Schleswig-Holstein gesammelt. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 4 von 18. Finanzminister. Christian Lindner (FDP, 42): Vor vier Jahren führte er die Liberalen in den Bundestag zurück. Nun sitzen sie erstmals seit 2013 wieder in der Regierung, wo sich der FDP-Chef als oberster Kassenwart schnell wird einarbeiten müssen. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 5 von 18. Aussenministerin. Annalena Baerbock (Grüne, 40): Sie war die erste Kanzlerkandidatin der Ökopartei. Das Wahlergebnis blieb allerdings deutlich unter den Umfragewerten vom Frühjahr. Regierungserfahrung hat die Grünen-Co-Chefin bisher nicht. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 6 von 18. Kanzleramtsminister. Wolfgang Schmidt (SPD, 51): Seit Jahrzehnten ist der Hamburger Jurist die rechte Hand von Olaf Scholz. Er diente ihm als persönlicher Referent, als Büroleiter und zuletzt als Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen. Bildquelle: Reuters / Archiv.
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Bild 7 von 18. Innen- und Heimatministerin. Nancy Faeser (SPD, 51): Die Jursitin ist die erste Frau an der Spitze des deutschen Innenministeriums. Sie ist SPD-Landesvorsitzende in Hessen und war dort bisher Oppositionsführerin im Landtag. Bildquelle: Reuters / Archiv.
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Bild 8 von 18. Arbeitsminister und Soziales. Hubertus Heil (SPD, 49): In der alten Arbeiterpartei SPD ist der frühere SPD-Generalsekretär einer der namhaftesten Sozialpolitiker. Als einziger Minister aus der letzten Merkel-Regierung behält er sein vorheriges Ressort. Bildquelle: Reuters / Archiv.
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Bild 9 von 18. Verteidigungsministerin. Christine Lambrecht (SPD, 56): Im Kabinett Merkel war die Rechtsanwältin seit 2019 Justizministerin. Wenige Monate vor der Bundestagswahl übernahm sie nach dem Rücktritt von Franziska Giffey zusätzlich auch das Familienressort. Bildquelle: Reuters / Archiv.
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Bild 10 von 18. Gesundheitsminister. Karl Lauterbach (SPD, 58): Der SPD-Gesundheitsexperte ist sei Beginn der Pandemie einer der bekanntesten Corona-Erklärer im deutschen Fernsehen. Nun übernimmt der Medizinprofessor und Bundestagsabgeordnete das Ministeramt. Bildquelle: Reuters / Archiv.
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Bild 11 von 18. Bauministerin. Klara Geywitz (SPD, 45): Die in Potsdam geborene Politikwissenschaftlerin sammelte langjährige politische Erfahrung als Abgeordnete im Landtag von Brandenburg. Seit Ende 2019 ist sie stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende. Bildquelle: Reuters / Archiv.
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Bild 12 von 18. Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Svenja Schulze (SPD, 53): Unter Merkel war sie seit Anfang 2018 Bundesumweltministerin. Davor war die Düsseldorferin unter anderem als SPD-Landtagsabgeordnete und nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin politisch tätig. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 13 von 18. Justizminister. Marco Buschmann (FDP, 44): Nach dem Wiedereinzug der Liberalen ins nationale Parlament 2017 wurde der Düsseldorfer Rechtsanwalt als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer zum Strippenzieher in der FDP-Bundestagsfraktion. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 14 von 18. Verkehrsminister und Digitales. Volker Wissing (FDP, 51): Regierungserfahrung sammelte der Jurist schon als Landesminister in Rheinland-Pfalz. 2020 machte ihn Lindner zum FDP-Generalsekretär, Seite an Seite führten sie die Liberalen in die Bundesregierung. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 15 von 18. Bildungs- und Forschungsministerin. Bettina Stark-Watzinger (FDP, 53): An ihren Namen werden sich viele in Deutschland noch gewöhnen müssen. Dem Bundestag gehört die Frankfurter Diplom-Volkswirtin seit 2017 an, zuletzt als eine Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 16 von 18. Landwirtschafts- und Ernährungsminister. Cem Özdemir (Grüne, 55): Der in Baden-Württemberg geborene Sohn türkischer Gastarbeiter ist einer der populärsten Grünen-Politiker in Deutschland. In der neuen Regierung übernimmt der frühere Parteichef erstmals ein Ministeramt. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 17 von 18. Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verbraucherschutz. Steffi Lemke (Grüne, 53): Die aus Dessau stammende Agrarwissenschaftlerin ist eine von zwei Ostdeutschen im Kabinett Scholz. Die Mitbegründerin der Grünen in der DDR war zuletzt eine von vier parlamentarischen Geschäftsführerinnen. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 18 von 18. Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Anne Spiegel (Grüne, 40): Einen fast identischen Ressortzuschnitt hatte sie von 2016 bis 2021 als Landesministerin in Rheinland-Pfalz verantwortet. Wie Lemke gehört die Mutter von vier Kindern zum linken Parteiflügel. Bildquelle: Keystone / Archiv.