Das ist die aktuelle Entwicklung: Nordkorea testet seit Monaten Rakete um Rakete. In der Nacht auf Freitag feuerte das isolierte Land erneut eine Kurzstreckenrakete ab. Beobachter und Beobachterinnen befürchten, es sei nur eine Frage der Zeit, bis Machthaber Kim Jong-un eine Atombombe testen lässt. Die USA verhängen derweil weitere Wirtschaftssanktionen.
Doch deren Wirksamkeit ist beschränkt. «Sie machen dem Regime in Pjöngjang zwar das Leben etwas schwerer, aber China und Russland bieten Schlupflöcher im Sanktionsregime an», erklärt Marco Kauffmann, der die Geschehnisse in der Region für die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) verfolgt.
Das ist die Vorgeschichte: Anfang der 1990er-Jahre, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, gab es durchaus berechtigte Hoffnungen, dass Nordkorea auf wirtschaftlichen Druck oder entsprechende Anreize reagieren würde. «Denn das kommunistische Land hatte ja auf einen Schlag einen wichtigen Geldgeber verloren», sagt Kauffmann von der NZZ. «Also versuchte es der Westen mit einer Art Tauschangebot: Wirtschaftshilfe und diplomatische Anerkennung gegen Aufgabe des Atomprogramms.» Nur habe das nicht funktioniert, wie man sehe.
Diese Möglichkeiten bestehen: Wenn Nordkoreas Regime die Atombombe als seine Lebensversicherung sieht, ändert sich auch die Basis für Verhandlungen mit dem Land. Doch die Frage sei, worüber verhandelt werden könne, so Kauffmann. «Insistiert der Westen, dass Nordkorea sein Atomprogramm liquidiert, dann wird man nicht weiterkommen. Realistischer scheinen mir Verhandlungen über eine allfällige Reduktion des Atomarsenals.» Kim Jong-un würde sich einen solchen Teilverzicht sicher teuer bezahlen lassen, ist Kauffmann überzeugt.
In Nordkorea mögen zwar Hunderttausende hungern, aber die Elite muss nicht darben und hält sich mit heftiger Repression an der Macht.
«Aber er würde sich gleichzeitig die Fähigkeit zur atomaren Bewaffnung bewahren.» Man müsse aber auch sagen, so Kauffmann weiter, «dass im Moment der wirtschaftliche Druck nicht gross genug ist, um Kim zu Konzessionen zu zwingen. In Nordkorea mögen zwar Hunderttausende hungern, aber die Elite muss nicht darben und hält sich mit heftiger Repression an der Macht».
So ist die Situation für die Nachbarstaaten: In Südkorea und Japan, beides Verbündete der USA, hat das Bedrohungsgefühl laut Einschätzung des Auslandredaktors zugenommen. Erst vergangene Woche feuerte Nordkorea eine Testrakete über Nordjapan ab. Auf der Insel Hokkaido löste dies Raketenalarm aus und die Bewohnerinnen und Bewohner wurden aufgefordert, Schutz zu suchen. Wenig später simulierte Nordkorea einen Atomangriff auf südkoreanische Flughäfen. «Das ist alles sehr bedrohlich für die Bevölkerung und direkt spürbar», sagt Kauffmann. «Es erhöht den Druck auf die Regierungen in Tokio und Seoul, aufzurüsten.»
Weder Zuckerbrot noch Peitsche haben gewirkt.
So könnte es weitergehen: «Es wird eine Intensivierung der Abschreckungspolitik geben», ist der Kenner der Region überzeugt. «Das heisst, mehr Waffen, mehr Waffensysteme. Eine klassische Rüstungsspirale, die jetzt stärker weiterdreht.» Dass dies die Position der USA schwäche, glaubt Kauffmann aber nicht. «Zwar müssen die Vereinigten Staaten eingestehen, dass ihre Nordkorea-Politik gescheitert ist. Weder Zuckerbrot noch Peitsche haben gewirkt. Aber die USA bleiben in der Region der zentrale Bündnispartner. Wegen der zunehmenden Spannungen werden sich Japan und Südkorea sogar noch stärker auf sie abstützen wollen.»