China hat eines der strengsten Zensurgesetze der Welt. Und doch kam es in der Nacht auf Samstag zu einer Protestwelle in den sozialen Medien, die Zensoren kamen kaum nach mit dem Löschen. Der Auslöser: Ein kurzer Internetfilm, der die Behörden für den Lockdown kritisiert und einen Nerv getroffen hat.
Aufnahmen in schwarzweiss, aus der Luft: Leere Strassen und Plätze. «Stimme des Aprils» heisst das Video. Es beginnt leise, ist untermalt mit Tonschnipseln. Man hört Regierungsvertreter, sie sagen, einen Lockdown werde es nicht geben – das war im März. Auf die falschen Versprechen der Behörden folgen Stimmen von wütenden und verzweifelten Bewohnerinnen und Bewohnern.
Kreative User laden Video immer wieder hoch
Überfüllte Spitäler und Quarantänezentren, Proteste von aufgebrachten Menschen, denen die Lebensmittel ausgegangen sind: Schonungslos listet der 6-minütige Film das Versagen der Regierung chronologisch auf. Doch schon bald greifen die Zensoren ein; und löschen den Film. Soweit so gewohnt in China.
Doch: Dieses Mal geben sich die Userinnen und User nicht geschlagen. In ihren privaten Wechat-Konten laden sie den Film immer wieder hoch, die Internet-Zensoren kommen teilweise kaum nach mit Löschen. Und die chinesischen Userinnen sind kreativ: Einige laden das Video auf dem Kopf stehend hoch – damit es nicht so schnell entdeckt wird. Andere betten den QR-Code des Videos in Filmplakate ein.
Heute früh war das meiste wieder gelöscht, die Videos und Postings sind noch auf YouTube und Twitter zu sehen – Plattformen, auf die die chinesischen Zensurbehörden keinen Zugriff haben; Plattformen jedoch, die in China allesamt gesperrt sind. Denn für Kritik an Chinas Covid-Politik, und sei sie noch so berechtigt, gibt es keinen Platz. Das zensierte Video endet übrigens mit einem Wunsch: «Gute Besserung, Schanghai!»