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Höhere Preise Lockdown in Schanghai verschärft globale Lieferengpässe

Der Lockdown in der chinesischen Wirtschaftsmetropole ist auf unbestimmte Zeit verlängert. Das wirkt sich auf die Lieferketten und Produktpreise aus – auch in der Schweiz. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie ist die wirtschaftliche Lage in Schanghai? Das sonst pulsierende Wirtschafts- und Finanzzentrum Chinas gleicht einer Geisterstadt. Da viele Mitarbeitende wegen des Lockdowns ihre Wohnungen nicht verlassen dürfen, ist ein Grossteil der Produktionsstätten stillgelegt. Der grösste Containerhafen der Welt funktioniert nur noch auf Sparflamme. Landesweit gibt es Transportprobleme, der Frachtverkehr im grössten Produktionsland der Erde geht spürbar zurück.

Welchen Einfluss hat der Lockdown auf globale Lieferketten? «Wenn China einen Schluckauf bekommt, haben wir alle eine schwere Erkältung anderswo in der Welt», warnt der Vorsitzende der europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. China trage zu einem Viertel des globalen Wachstums bei. «Wenn Chinas Lieferketten einen Schlag abbekommen, wirkt sich das auf Verfügbarkeit, Preise und Auswahl aus», so Wuttke. Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie wurden globale Lieferketten empfindlich gestört. Der Lockdown in Schanghai wird die Engpässe verschärfen, respektive verlängern – laut Prognosen bis mindestens zur zweiten Jahreshälfte.

Die Corona-Lage in China

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Ein Lieferant bringt einem Einwohner in einem abgeriegelten Wohnquartier in Schanghai Essen.
Legende: Wird in einem Wohnquartier in Schanghai ein positiver Corona-Fall entdeckt, wird das betroffene Gebiet für zehn Tage abgeriegelt. Reuters

Mit Ausgangssperren, Massentests und Zwangsquarantäne versucht Schanghai mit seinen 26 Millionen Einwohnern den täglich Zehntausenden Neuinfektionen Herr zu werden. Trotz des seit knapp zwei Wochen andauernden Lockdowns meldeten die Behörden am Freitag 21'000 neue Fälle. Damit wurden seit Ausbruch der Omikron-Welle mehr als 130'000 Neuinfektionen registriert. Das ist weit mehr als bei Ausbruch der Pandemie Anfang 2020.

Analysten des japanischen Finanzhauses Nomura schätzen, dass 23 chinesische Städte entweder vollständig oder teilweise im Lockdown sind. Dort leben etwa 193 Millionen Menschen, die 22 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften. Dazu gehört auch Changchun, ein wichtiges Produktionszentrum, das seit 28 Tagen abgeriegelt ist. (reu)

Spürt die Schweiz den Lockdown in Schanghai schon? Laut Swissmem dürfte sich auch in der Schweiz die gegenwärtig angespannte Lage weiter verstärken. «Wir gingen davon aus, dass sich die Situation in diesem Jahr entspannt. Doch die Lieferengpässe werden nun länger dauern», sagt Verbandssprecher Jonas Lang gegenüber SRF News. Die vielen stillgelegten Produktionsstätten können Warenlieferungen zusätzlich verzögern.

Was sagen Schweizer Unternehmen in China? Die Handelskammer Swisscham Shanghai hat in der vergangenen Woche bei 91 Schweizer Unternehmen, die in China produzieren oder handeln, eine Umfrage zum Lockdown in Schanghai durchgeführt. Über 90 Prozent der befragten Firmen bestätigen, dass sie von den Restriktionen unmittelbar betroffen sind und infolgedessen mit Umsatzeinbussen rechnen. Mehr als die Hälfte berichtet, dass sie ihre Produkte wegen Logistik-Engpässen nicht verschiffen können und die Kosten in den vergangenen Wochen gestiegen sind.

So reagieren Unternehmen in der Schweiz

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Händler in der Schweiz werden die Auswirkungen des Lockdowns wohl erst nachgelagert spüren. «Wenn wir die Lieferkette anschauen, sind es die Hersteller und Lieferanten der Produkte, die zum aktuellen Zeitpunkt viel organisieren müssen, um die Produkte rechtzeitig an einem Hafen verladen zu können», sagt Salome Balmer von Interdiscount auf Anfrage von SRF News.

Ähnlich klingt es beim Logistikdienstleister Rhenus Logistics Schweiz und beim Spielwarenhersteller Franz Carl Weber . Frühestens in 5 bis 8 Wochen falle der chinesische Lockdown ins Gewicht, heisst es bei Franz Carl Weber. Aktuell spüre man aber die Auswirkungen der vorherigen Lockdowns – der Aufschlag der Frachtkosten verteuere aktuell die Importe aus Fernost um zwei bis acht Prozent.

Über konkrete Auswirkungen des Lockdowns in Schanghai können auch Apple und der Onlinehändler Brack.ch noch nichts berichten. «Wir gehen davon aus, dass der Lockdown die Situation nicht dramatisch verändern wird, weil die internationalen Frachtunternehmen automatisch Lieferungen über andere Häfen umleiten», teilt Brack.ch mit. Mehr Sorgen bereite der Ukraine-Krieg, da Bahnstrecken aus Asien durch Russland nach Europa teilweise abgeschnitten sind und so eine Ersatzroute wegfällt.

Welche Güter sind betroffen? In Shanghai wird ein Grossteil der Elektronikexporte Chinas hergestellt. Ist die Produktion dieser Güter wegen des Lockdowns lange Zeit eingeschränkt, dürfte sich die Knappheit bei Halbleitern und Mikrochips verschärfen. Langfristig könnten damit die sowieso schon hohen Preise weiter steigen. Das hat Einfluss auf Erzeugnisse, die einen Mikrochip beinhalten – wie Autos, Smartphones und Unterhaltungselektronik. Handelsökonom Ralph Ossa geht davon aus, dass die meisten Branchen bei einem längeren Lockdown in Shanghai Lieferengpässe haben dürften.

Werden auch Produkte in der Schweiz teurer? Diese Frage lässt sich derzeit nur schwer beantworten. «Entscheidend für Warenverfügbarkeit und -preis wird sein, wie lange die Einschränkungen in Schanghai anhalten», sagt Jan Riss von der Schweizer Industrie- und Handelskammern (SIHK). Gemäss Aussenhandelsstatistik ist China der viert-bedeutendste Import-Handelspartner der Schweiz. Das gesamte Handelsvolumen der Schweiz mit China beträgt über 33 Milliarden Franken. Je länger der Lockdown in Schanghai dauert, desto mehr dürften die Preise steigen.

Tagesschau, 07.04.2022, 19:30 Uhr

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