Wie ist die wirtschaftliche Lage in Schanghai? Das sonst pulsierende Wirtschafts- und Finanzzentrum Chinas gleicht einer Geisterstadt. Da viele Mitarbeitende wegen des Lockdowns ihre Wohnungen nicht verlassen dürfen, ist ein Grossteil der Produktionsstätten stillgelegt. Der grösste Containerhafen der Welt funktioniert nur noch auf Sparflamme. Landesweit gibt es Transportprobleme, der Frachtverkehr im grössten Produktionsland der Erde geht spürbar zurück.
Welchen Einfluss hat der Lockdown auf globale Lieferketten? «Wenn China einen Schluckauf bekommt, haben wir alle eine schwere Erkältung anderswo in der Welt», warnt der Vorsitzende der europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. China trage zu einem Viertel des globalen Wachstums bei. «Wenn Chinas Lieferketten einen Schlag abbekommen, wirkt sich das auf Verfügbarkeit, Preise und Auswahl aus», so Wuttke. Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie wurden globale Lieferketten empfindlich gestört. Der Lockdown in Schanghai wird die Engpässe verschärfen, respektive verlängern – laut Prognosen bis mindestens zur zweiten Jahreshälfte.
Spürt die Schweiz den Lockdown in Schanghai schon? Laut Swissmem dürfte sich auch in der Schweiz die gegenwärtig angespannte Lage weiter verstärken. «Wir gingen davon aus, dass sich die Situation in diesem Jahr entspannt. Doch die Lieferengpässe werden nun länger dauern», sagt Verbandssprecher Jonas Lang gegenüber SRF News. Die vielen stillgelegten Produktionsstätten können Warenlieferungen zusätzlich verzögern.
Was sagen Schweizer Unternehmen in China? Die Handelskammer Swisscham Shanghai hat in der vergangenen Woche bei 91 Schweizer Unternehmen, die in China produzieren oder handeln, eine Umfrage zum Lockdown in Schanghai durchgeführt. Über 90 Prozent der befragten Firmen bestätigen, dass sie von den Restriktionen unmittelbar betroffen sind und infolgedessen mit Umsatzeinbussen rechnen. Mehr als die Hälfte berichtet, dass sie ihre Produkte wegen Logistik-Engpässen nicht verschiffen können und die Kosten in den vergangenen Wochen gestiegen sind.
Welche Güter sind betroffen? In Shanghai wird ein Grossteil der Elektronikexporte Chinas hergestellt. Ist die Produktion dieser Güter wegen des Lockdowns lange Zeit eingeschränkt, dürfte sich die Knappheit bei Halbleitern und Mikrochips verschärfen. Langfristig könnten damit die sowieso schon hohen Preise weiter steigen. Das hat Einfluss auf Erzeugnisse, die einen Mikrochip beinhalten – wie Autos, Smartphones und Unterhaltungselektronik. Handelsökonom Ralph Ossa geht davon aus, dass die meisten Branchen bei einem längeren Lockdown in Shanghai Lieferengpässe haben dürften.
Werden auch Produkte in der Schweiz teurer? Diese Frage lässt sich derzeit nur schwer beantworten. «Entscheidend für Warenverfügbarkeit und -preis wird sein, wie lange die Einschränkungen in Schanghai anhalten», sagt Jan Riss von der Schweizer Industrie- und Handelskammern (SIHK). Gemäss Aussenhandelsstatistik ist China der viert-bedeutendste Import-Handelspartner der Schweiz. Das gesamte Handelsvolumen der Schweiz mit China beträgt über 33 Milliarden Franken. Je länger der Lockdown in Schanghai dauert, desto mehr dürften die Preise steigen.