Darum geht es: Die neue Drei-Parteien-Regierung in Österreich will den Familiennachzug für anerkannte Asylberechtigte weitgehend aussetzen. Kanzler Christian Stocker (ÖVP) kündigte im ORF-Fernsehen an, dass nur noch ein letzter Schritt des Innenministeriums fehle, um die Massnahme umzusetzen. Begründet wird der Entscheid mit einer migrationspolitischen Notlage, die das Bildungssystem überfordere.
So argumentiert Österreichs Regierung: Laut EU-Recht können Mitgliedsstaaten europäische Vorgaben umgehen, wenn die öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit gefährdet ist. Die Regierung argumentiert, dass die Integration – insbesondere von syrischen und afghanischen Familien – zunehmend schwieriger werde. Fehlende Deutschkenntnisse in Schulen seien ein Problem, das langfristig die gesellschaftliche Stabilität gefährden könne.
Das sind die juristischen Erfolgsaussichten: Bisher hat noch kein EU-Mitglied erfolgreich eine Ausnahmegenehmigung in diesem Bereich erwirkt. Rechtsexperte Daniel Timm von der Universität Konstanz erklärt Radio SRF, dass solche Fälle zwar theoretisch möglich, aber in der Praxis bislang immer gescheitert seien. Der Europäische Gerichtshof werde nun erstmals über eine detaillierte Begründung dieser Art urteilen müssen.
Politisches Signal nach innen und nach Brüssel: Die Massnahme dürfte nicht nur juristische, sondern auch politische Ziele verfolgen, ist Timm überzeugt. Österreich signalisiert seiner Bevölkerung, dass es in der Migrationspolitik handlungsfähig sei. Gleichzeitig will die Regierung Druck auf die EU ausüben, um eine Reform der bestehenden Gesetze zu erreichen. Auch andere Länder wie die Niederlande könnten sich dieser Linie anschliessen.
Wie es weitergeht: Sollte die EU Österreichs Begründung nicht akzeptieren, müsste die Regelung rechtlich zurückgenommen werden. Politisch aber könnte der Streit weitergehen: Mehrere europäische Staaten fordern bereits eine Reform der Familienzusammenführungsrichtlinie. Ob sich dafür eine Mehrheit in der EU finden lässt, bleibt vorerst offen.